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Kutschenreuter, Erhard, * 18. Juni 1873 Schalding r.d.D., † 6. Mai 1946 Landshut, Volksschullehrer, Komponist, Heimatforscher

1   Biographie

1.1   Persönlichkeit

Abb. 1 – Erhard Kutschenreuter im Alter von etwa 50 Jahren
Quelle: Hans Proft

Erhard Kutschenreuter war ein musikalisch hochgebildeter und dabei aber auch ein sehr geselliger Mensch. Er war vollauf und ganz und gar voller Musik – so beschrieben ihn die Landbewohner um Neukirchen bei Arnstorf, wo er sieben Jahre lang als Lehrer wirkte. Er musizierte mit seinen Schulkindern, erteilte ihnen Musik- und Gesangsunterricht. An der Expositurkirche unterhielt er einen beachtlichen Kirchenchor. Er musizierte in der Gesellschaft und in den Bauernwirtshäusern der Umgebung, und er verstand es, mit der Basszither für gute Unterhaltung zu sorgen. Er hatte jedoch öfters Schwierigkeiten, seine lebenslustige Künstlernatur mit den Dienstpflichten eines Dorfschullehrers in Einklang zu bringen. Dies führte mehrmals zu Beanstandungen und Verweisen der Schulbehörde und zu Strafversetzungen. Außerdem neigte er zu Polarisierungen und schuf sich dabei nicht nur Freunde. In Dietersburg endete ein in aller Öffentlichkeit ausgetragener Zwist mit einer Kollegin mit der Disziplinarmaßnahme einer Strafversetzung nach Rattenbach, die sich auch auf sein berufliches Weiterkommen als Lehrer auswirkte. Die zahlreichen Bewerbungen um einen anderen Dienstort, die mit einer Beförderung zum Oberlehrer verbunden gewesen wäre, blieben unberücksichtigt.

Schließlich traten auch noch gesundheitliche Probleme auf – womöglich seelisch bedingt –, so dass er schließlich 54jährig aus seinen Antrag in den "zeitlichen" Ruhestand versetzt wurde, der bis zu seiner endgültigen Pensionierung jährlich verlängert wurde. Wenn man sein weiteres Wirken in Velden und Vilsbiburg betrachtet, schien für Kutschenreuter die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand ein Befreiungsschlag gewesen zu sein, denn nun konnte er sich, von allen Dienstpflichten befreit, voll seiner künstlerischen Berufung widmen.

Kutschenreuter war nicht nur ein äußerst erfolgreicher Komponist von Operetten und Singspielen, die dem musikalischen Geschmack der Bevölkerung entsprachen und vor allem in der Zwischenkriegszeit auf zahllosen Laienbühnen in Bayern und darüber hinaus stets mit viel Erfolg aufgeführt wurden, sondern er galt auch als Volksmusik-Sachverständiger und -forscher und wirkte weiterhin als Kirchenmusiker. Eine bemerkenswerte Leistung als Musiklehrer ist die Herausgabe der Deutschen Harmonikaschule für zweireihige, diatonische Instrumente im Jahr 1936. Darüber hinaus verfasste er in der Presse verschiedene heimatkundliche Abhandlungen.

1.2   Lebenslauf

Abb. 2 – Erhard Kutschenreuter im Jahre 1897
Quelle: Hans Proft
Abb. 3 – Aufführung des Holledauer Fidel 1921 in Arnstorf
Quelle: Hans Proft
Abb. 3 – Kutsschenreiter bei der 3000. Aufführung des Holledauer Fidel am 19./20. November 1938 in der Passauer Nibelungenhalle mit den beiden Hauptdarstellern Rosa Radulescu-Baumann (Reserl) und Josef Spörkl (Fidel).
Quelle: Hans Proft

2   Werke

2.1   Bühnenwerke

Der Hauptmann von Köpenick, Operette in einem Akt mit einem Vorspiel, Text: Sebastian Wieser, Benefiziat, (* 14. Januar 1879 in Hart; † 11. Oktober 1937 in Augsburg), UA am 4. Dezember 1907 im Stadttheater Passau mit zwei Reprisen
Der Fremdling, Operette in drei Akten, Text: Heinrich Schießleder, UA am 17. März 1910 durch das Operetten und Novitäten Ensemble Julie Hillebrand und Josef Kappl im Wieninger-Saal in Vilshofen – Weitere Aufführungen sind nicht bekannt
Der Holledauer Fidel, Operette in drei Akten, Text: Franz Josef Scherrer, Finanzbeamter (* 10. Juli 1890 in Passau, † 19. Mai 1946 ebd.), UA am 14. April 1920 im Stadttheater Passau
Der Holledauer Fidel ist Kutschenreuters erfolgreichstes Bühnenwerk, das 1938 bereits die 3.000. Aufführung erlebt hat und auch heute selbst von professionellen Bühnen noch gespielt wird, u.a. Südostbayerisches Städtetheater Passau (1974/75) und Freies Landestheater Bayern (2002), dabei wurde auch eine CD produziert.
Ein Frühlingsmärchen, Kindersingspiel, Text: Richard Meisl, Sparkassenbeamter, (* 8. Februar 1897 in Breitenberg, † 3. Januar 1974 in Deggendorf), UA am 23. Juni 2922 in Dietersburg
Die Donauliesl, Operette in drei Akten, Text: Franz Josef Scherrer – UA am 26. Mai 1923 in Vilshofen
Die Donauliesl wird auch heute noch gelegentlich von Laienbühnen aufgeführt, u.a. 1990/91 in Tittling (13 Vorstellungen) und 2003 in Riedering (6 Vorstellungen)
Der Schwur des Kreuzhofbauern (auch Der Bauernschwur), Operette in drei Akten, Text: Josef Bauer, Landwirt und Abgeordneter, (* 1. April 1880 in Matzöd, † 22. März 1954 in München), UA am 13. April 1924 in Dietersburg, letzte bekannte Aufführungen 1992/93 in Tittling (12 Vorstellungen)
Vilsbiburg – Festspiel zur Stadterhebung von Vilsbiburg, Text: Bonifaz (Simon) Rauch OSB (* 22. Dezember 1873 in Amberg, † 28. April 1949 in Metten), Aufführung am 22. September 1929 in Vilsbiburg
An der böhmischen Grenz', Bauernspiel in drei Akten, Text: Siegfried Jaennichen, Oberlehrer in Kirchberg bei Eggenfelden (* 1. Oktober 1884 in Deggendorf, † 23. Februar 1968 in Herrsching), UA am 22. Februar 1930 in Vilsbiburg (insgesamt 3 Vorstellungen), fünf weitere Aufführungen im Oktober 2004 in Zwiesel
Der Holledauer Fidel Teil II oder Neuigkeiten vom lustigen Fidel und der ehrengeachteten Wurmdobler-Familie, Text: Franz Josef Scherrer, UA am 6. April 1931 in Dorfen unter Leitung des Komponisten.
Die Fortsetzung von Kutschenreuters größten Bühnenerfolgs konnte nicht die Wirkung des Originals erzielen. Letzte bekannte Aufführung 1994/1995 in Tittling (10 Vorstellungen)
Die Handwerksburschen, Operette in drei Akten, Text: Marie Grüger (* 1 Juni 1867 in Reudnitz bei Leipzig; † 20. Juli 1945 in Plattling), UA am 16. September 1933 in Rohr durch die Liedertafel Rohr
Wintermärchen, Kindersingspiel, Text: Richard Meisl, UA am 18. November 1934 in Vilsbiburg

2.2   Weitere Bühnenwerke, die noch nie aufgeführt wurden

Die Glückskinder, märchenhaftes Singspiel, Text: Michael Geiger, Entstehungszeit vermutlich zwischen 1927 und 1931 in Velden
Das schöne Annamirl – Bauernposse in drei Akten, Text: Franz Josef Scherrer
Einige Melodien hat K. bei späteren Aufführungen des Holledauer Fidel verwendet
Die Hirmonhopser von Bischofsmais – Volksstück in vier Akten, Text: Richard Meisl
Der Komponist hatte dieses Stück für eine Rundfunkproduktion vorgeschlagen, zu der es aber nicht mehr gekommen ist
Der Antichrist (Ouvertüre – Im Paradis – Der Brudermord)
Anlass und Entstehungszeit sind nicht bekannt, die Partitur befindet sich im Nachlass des Komponisten im Zwieseler Waldmuseum

2.3   Kirchenmusik

Kutschenreuter schuf mehrere kirchenmusikalische Kompositionen, die jedoch nicht mehr auffindbar sind. Erhalten ist das Lied zu Ehren des seligen Konrad von Parzham (Text: P. Bonifaz Rauch OSB) für Bariton-Solo, gemischten Chor und Orchester.

2.4   Sonstige Kompositionen

Kutschenreuter schuf zahlreiche Märsche, weswegen er auch als Niederbayerischer Marschkönig bezeichnet wurde, aber auch Walzer und andere Salonmusik.

2.5   Schulwerk

1936 brachte Erhard Kutschenreuter im Leipziger Verlag Dombrowsky & Co. (Robert Wächtler) die Deutsche Harmonikaschule für alle zweireihigen, diatonischen Instrumente heraus.

3   Literaturverzeichnis

Proft, Hans: Immer froh und heiter bleibt der Kutschenreuter. Passau, 2004, ISBN 3-88849-206-8.
Reimeier, Karl-Heinz: Erhard Kutschenreuter, der "Niederbayerische Marschkönig". Grafenau 1989, ISBN 3-87553-317-9.
Wagner, Helmut [Rezension]: Erhard Kutschenreuter, der "Niederbayerische Marschkönig". In: Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung 1989, Bd. 91 (1990), S. 459.
Winklhofer, Josef: Erhard Kutschenreuter, Lehrer und Komponist. In "Heimat an Rott und Inn" 19?? S. 188.