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Aufschnaiter, Benedict Anton, * 21. Februar 1665 Kitzbühel, † 24. Januar 1742 Passau, Komponist, Kapellmeister, Musiktheoretiker

1   Anstellung und Kompositionstätigkeit in Passau

Über Aufschnaiters musikalische Ausbildung ist nichts bekannt. Es kann nur vermutet werden, dass er sie in Wien erhielt, wo er auch Leiter weltlicher Konzerte gewesen sein dürfte. Am 9.3.1695 starb dort seine erste Frau (seine zweite Frau war Maria Barbara von Salla [Sala/Salis], sein Sohn hieß Josephus Antonius Franziskus). Aufschnaiter wurde am 16.1.1705 als Hofkapellmeister des Fürstbischofs Johann Philipp Graf von Lamberg nach Passau berufen. Sein Vorgänger im Amt war G. Muffat. Vor Aufschnaiters Anstellung in Passau erschien vor allem Instrumentalmusik im Druck. Zu nennen sind u.a. die Suitensammlung Discordia concors op. 2 (1695), gedruckt in Nürnberg, und die Kirchensonatensammlung Dulcis fidium harmonia op. 4 (1703). Während seiner dortigen Tätigkeit entstand überwiegend geistliche Musik, die nur teilweise veröffentlicht wurde (Memnon sacer 1709, Alaudae 1711, Aquila clangens 1719, Cymbalum Davidis vespertinum 1728, gegenüber ca. 200 handschriftlich überlieferten Werken).

2   Konflikt mit dem Dienstherrn und Werk-Bestandsaufnahme

Ab 1715 sind Klagen seines neuen Dienstherrn, Fürstbischof Raimund Ferdinand Graf von Rabatta, über zu wenig neue Kompositionen dokumentiert. Zugleich wird eine Spezifikation der von Aufschnaiter im Jahr 1715 komponierten und anderweitig für die Hof- und Dommusik beschafften Musikalien erstellt, die den Umfang der fürstbischöflichen Musik in diesem Jahr illustriert (die Angaben werden in Bögen Notenpapier beziffert; darunter macht Kirchenmusik etwa die Hälfte aus, ein Viertel Serenaden, Parthien, Concerten, Capricen, weniger als ein Zehntel Tänze und Bühnenmusik; weiterhin fünf Sonaten und Ergänzungen vorhandener Stimmenmateriale, vgl. Schmitz 242f.). 1717 ergeht eine Dienstanweisung für den Kapellmeister und die Hofmusik, die allerdings überwiegend Bestimmungen für den Dienst im Dom enthält, der vermutlich vernachlässigt worden war. Unter Rabattas Nachfolger Joseph Dominikus von Lambergs (ab 1723) wird wiederum Kritik an fehlenden Neukompositionen für die Tafelmusik geübt. In Aufschnaiters Verteidigungsschreiben listet er seine bisherigen, überwiegend der Kirchenmusik zuzurechnenden Werke, auf und fordert bessere Musiker ein (Schmitz 247f). In seine Dienstzeit fällt außerdem 1729 eine Auseinandersetzung um die Ausbildung der Kapellknaben. Erhalten sind außerdem Abrechnungen seines Kopisten, des Tenoristen Johann Leopold öfle.

3   Cäcilienbruderschaft

Aufschnaiters Beteiligung an der Gründung der Passauer Cäcilienbruderschaft ist durch ein von Kapellmeister, Hof- und Dommusici unterzeichnetes Ersuchen vom 1721 belegt. Die Gründung wurde von Fürstbischof Raimund Ferdinand erlaubt, allerdings erst 1738 förmlich bestätigt. Aufschnaiters Requiem von 1738 ist laut Titel für die Marienkongregation zu Passau bestimmt. Verloren sind u.a. Ballette (1709 erwähnt), Musik zum Jesuitendrama Deodatus a Deo datus Nolana(e) urbi episcopus (Anton Maurisperg). Zahlreiche Abschriften belegen die weite Verbreitung seiner geistlichen Kompositionen.

4   Theoretische Schriften

Neben den Kompositionen sind zwei musiktheoretische Abhandlungen Aufschnaiters überliefert, Regulae Compositionis Fundamentalis Musurgiae (D-Po Auffschnaiter 39, 18. Jh.) und Anweisung oder Fundamental-Regeln um eine gute Musick zu componieren (D-Po, nicht in Kat. Haberkamp, Reinschrift nach 1819 von Bernhard Senft).

Zu den wichtigsten Quellen der grundsätzlich konservativen Regulae gehört Adam Gumpelzhaimers Compendium musicae (erstmals 1581). Die Erwähnung eines Johann Ebner, der möglicherweise mit Ferdinand Johann Ebner (Sohn des Wiener Hoforganisten Wolfgang E.) zu identifizieren ist, unter den im Traktat zitierten Autoritäten kann ein Hinweis auf eine Ausbildung Aufschnaiters im Sinne der süddeutsch-österreichischen Organistenpraxis sein. Trotz der traditionellen Haltung finden sich in seinen Texten verschiedene fortschrittliche Züge. So behandelt das erste Kapitel der Regulae die vom Komponisten erfundene Melodie (subjectum) anstelle der dort üblicherweise zu erwartenden Intervalle und Intervallverbindungen. Bei der Behandlung der Tonarten differenziert Aufschnaiter nach Kirchentönen und den in der Figuralmusik verwendeten Tonarten, wobei letztere auf zwei Spezies (Dur und Moll, vermutlich unter französischem Einfluss) zurückführbar seien.

Es sind keine Schüler Aufschnaiters nachweisbar. In den Schriften ist keine Beziehung zur Lehre J. J. Fux’ (obwohl beide sich vermutlich in Wien begegneten) festzustellen.

5   Werke

(vgl. das ausführl. Verzeichnis von M. Raab in Schmitz, S. 267-283)

5.1   Instrumentalkompositionen

(opp. 1 und 3 verschollen)
Concerto della prosperità
Concerto o Parthia della cortesia
Concors discordia op. 2 (6 Suiten, Nürnberg 1695)
Dulcis fidium harmonia op. 4 (Kirchensonaten, Augsburg 1703)
Serenada della pace
Sonata gloriosa
4stg. Fugen mit Praeludien (verschollen)

5.2   Vokalkompositionen

Memnon sacer ab oriente animatus op. 5 (Vespern, Augsburg (Maschenbauer) 1709)
Alaudae V ad aram purpuratai honoris victimae op. 6 (5 Messen, Augsburg 1711)
Aquila clangens op. 7 (12 Offertorien, Passau (Höller Witwe) 1719)
Cymbalum Davidis vespertinum seu Vesperae op. 8 (2 Vespern, Passau (Mangold) 1728)
ca. 200 Werke (Messen, Requiem, Miserere, Litaneien, Offertorien, Gradualien, Arien, Responsorien, Stabat mater, Ave regina, Applausus) in A-KR, A-SEI, A-LA, A-WIL, A-SF, A-Gö, D-Pk, D-OB (vgl. d. ausführl. Werkverzeichnis von Martina Raab)

5.3   Schriften

Regulae compositionis fundamentales Musurgiae (D-Po Auffschnaiter 39) Anweisung oder Fundamental-Regeln um eine gute Musick zu componieren (D-Po)

6   Literatur

NDB 1, S. 443f.
ADB 1, S. 655.
F. Lehrndorfer, B.A. Aufschnaiter, Domkapellmeister in Passau, in: Die ostbairischen Grenzmarken 19 (1930) H. 11, S. 241-246.
W. M. Schmid, Zur Passauer Musikgeschichte, in: ZfMw 5 (1922), 129ff.
E. Federl, Die Passauer Cäcilienbruderschaft im 18. Jh., in: KimuJb 44 (1960), S. 50-53.
G. Haberkamp, Die Musikhandschriften der Dommusik St. Stephan im Archiv des Bistums Passau. Thematischer Katalog, München 1993 (Kataloge bay. Musiksammlungen 21).
H.-W. Schmitz, Passauer Musikgeschichte. Die Kirchenmusik zur Zeit der Fürstbischöfe und in den Klöstern St. Nikola, Vornbach und Fürstenzell, Passau 1999, S. 230-266 und S. 267-283 (M. Raab, Werkverzeichnis).
P. Lechl, Aufschnaiter, Auffschneitter, Benedict Anton, in: MGGneu Personenteil Bd. 1 (1999), Sp. 1163-1165.
H. Federhofer, Benedict Anton Aufschnaiter als Musiktheoretiker, in: Mf 54 (2001), S. 227-242.
Kirchenmusikalisches Jahrbuch 77/1993.
Jiri Sehnal, Musik i. d. Prämonstratenserklöstern Hradisko (Hradisch) und Olmütz in den Jahren 1693-1739, S. 51-95.

7   Editionen

In der Reihe Musik aus Ostbayern, hg. v. K. Ruhland (Coppenrath / Altötting) Serenaden aus Concors discordia und Pastorellen.
Regina coeli (Coppenraths Kleine Reihe 9).
Sonaten aus Dulcis fidium harmonia bei Lechl (Passau).