Lipowsky 1811
Ammon, (Blasius), ein geborner Tiroler, und Kompositeur gegen das Ende des sechszehnten Jahrhunderts, diente am Churhofe zu München, wo er bei Adam Berg 1590 ein musikalisches Werk unter folgendem Titel drucken ließ: Blasii Ammon Tyrolensis, sacrae Cantiones, quas vnlgo Motettas (1) vocant, quatuor, quinque et sex vocum, quibus adjuncti sunt ecclesiastici hymni de navitate, resurrectione et ascensione Domini. Im nächsten Jahre 1591 gab er vierstimmige kurze Messen, dann 1593 vier- fünf- und sechsstimmige Messen, dann Motetten auf alle Festtage der Heiligen bei eben diesem Berg heraus. Er starb um 1614.
Anm. 1: Motette, (Motetto), bezeichnet ursprünglich ein Singstück von vier Singstimmen als Folge mehrerer in einem Satze mit einander verbundenen Fugen, denen ein prosaischer Text aus der Bibel unterlegt ist. Die Veranlassung hierzu gab der Geist ehemaliger Zeiten, wo alle Musikstücke für die Kirche entweder reguläre Fugen waren, oder doch thematisch nach Art der Fuge bearbeitet wurden. Da es nun Texte gab, die entweder zu viele Glieder oder Redesätze hatten, um hieraus eine Fuge zu formiren, oder in welchen der Innhalt der verschiedenen Glieder so beschaffen war, daß sie sich nicht schicklich in einer Fuge vereinigen liessen; so kam man auf die Idee einer Motette. Um hier verständlich zu werden, muß man sich erinnern, daß eine Fuge aus eben so vielen Sätzen oder Subjekten bestehen müsse, als Glieder oder Redesätze in dem dazu bestimmten Texte vorhanden sind, und daß zu einem Texte aus zwei Gliedern eine Doppelfuge, zu einem aus drei Gliedern eine dreifache Fuge u. s. w. gesetzt werde. Da man nun nicht leicht mehr als drei, höchstens vier Hauptsätze in einer Fuge verbinden kann, so schlug man bei Texten von größern Umfange einen andern Weg ein. Man führte nämlich jeden Satz nur ein Mal durch alle Stimmen aus, und fieng mit jedem neuen Gliede des Textes einen neuen Satz an, ohne diese verschiedenen Sätze bei der Ausführung in einander zu weben. Solch eine Komposition wurde also zur Bezeichnung ihres Unterschiedes von der Fuge, Motette genannt. -- Die moderne Motette hat keinen fugenartigen Stil mehr, sondern enthält eine Melodie über einen untergelegten Text aus der Bibel, oder einem Kirchenliede, und die mit dem Chorus dergestalt verflochten ist, daß sie, wie bei einem Terzet- oder Quartet-Satze, von einer der vier Hauptstimmen allein vorgetragen wird. -- Die Franzosen endlich nennen heute jedes über einen lateinischen Text verfertigte Kirchenlied eine Motette. Sebastien de Brossard Dictionnaire de Musique (Amsterdam sixieme Edition.) p. 71. Heinrich Christoph Koch Musikalisches Lexikon. (Frankft. a. M. 1802.) B. I. S. 983. Georg Friedrich Wolf Kurzgefaßtes Musikalisches Lexikon. (Halle 1787.) S. 105. Die Alten nannten Cantilena ein weltliches, und Motettum ein geistliches Lied. Joan. Tinctor sagt daher: Cantilena est cantus parvus, cui verba cujuslibet materiae, sed frequentius amatoriae subponuntur; Motettum vero, cantus mediocris, cui verba cujusve materiae, sed frequentius divina subponuntur. Joh. Niklas Fwekel allgem. Gesch. der Musik. (Leipz. 1801.) B. II. Paragraph. 34. S. 504.