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Bosse, Gustav, * 6. Februar 1884 Vienenburg/Harz, † 27. August 1943 Regensburg, Musikverleger

1   Herkunft, Ausbildung, Verlagsgründung

Gustav Bosse wurde als zweiter Sohn von neun Kindern in eine Familie hineingeboren, der gerade ein grundsätzlicher Wandel bevorstand. Sein Vater Fritz Bosse (1851-1910) war Direktor einer Zuckerfabrik, verlor aber durch eine Fusion diesen Posten und entschloss sich daraufhin, Musikverleger zu werden. 1886 gründete er in Leipzig den Bernhardine Bosse Musikverlag, der sich zunächst auf evangelische Chormusik konzentrierte. Gustav Bosse lebte nach musikwissenschaftlichen Studien am Konservatorium in Leipzig u. a. bei Hugo Riemann, Arthur Seidl, Carl Eitz seit 1904 in Regensburg, wo er zunächst bis 1906 in der Musikalienhandlung von Franz Feuchtinger volontierte, ehe er 1907 als Prokurist und Teilhaber in der Druckerei Heinrich Schiele tätig wurde, die nach dessen Tod von seiner Witwe geleitet wurde. 1910 heiratete Bosse Sophie Schiele (1863-1941). 1911 erhielt er die Aufnahme in den bayerischen Staatsverband. Am 1. Mai 1912 gründete er den Gustav Bosse Verlag, der sich als erster Regensburger Verlag ausschließlich der Herausgabe von Musikbüchern widmen und der damals noch jungen Musikwissenschaft dienen wollte. Zunächst aber war er 1914-1918 Soldat.

2   Verlagsprogramm

Schon vorher hatte Bosse mit dem Aufbau seines Verlages begonnen, den er nach dem Ersten Weltkrieg zielstrebig fortsetzte, in seiner thematischen Ausrichtung aber veränderte. Die Reihen Deutsche Musikbücherei (1912-1952, 66 Bände), Von deutscher Musik (1927-1949, 71 Bde.) und die vielen Einzeltitel der frühen Jahre bildeten ein einheitliches Verlagsprogramm. 1929 übernahm er auch die Zeitschrift für Musik. Ein leider typisch deutsches Schicksal erlitt der Verlagsgründer mit seiner engagierten Haltung im Jahre 1942, als ihm die Reichsschrifttumskammer den Schriftleiterpaß entzog (Bernhard Bosse, Gustav Bosse, in: Bernd Meyer [Hg.], Musikstadt Regensburg, Regensburg 1985, 171-173, hier 171).

3   Würdigung und Nachfolge

Gustav Bosse starb 1943. Erich Valentin würdigte den Verleger im Herbst des gleichen Jahres mit folgenden Sätzen, aus denen deutlich die Zeit spricht, in der sie formuliert wurden: Diese bedeutende Persönlichkeit war eine der charakteristischsten Gestalten des deutschen Verlagswesens, darüber hinaus ein von Liebe, Verständnis, Ernst und Begeisterung für deutsche Kunst und Kultur durchdrungener Vorkämpfer für die Erneuerung der Musik aus dem deutschen Geist. Aus diesem Glauben heraus hat der einstige Frontsoldat des ersten Weltkriegs auf alle Ehrgeize als Musiker und Musikwissenschaftler [...] verzichtet und sich an der Spitze seines vom ihm 1912 gegründeten Regensburger Verlags nach Kriegsende als unbeirrbarer Rufer für die Reinhaltung des deutschen Kulturerbes und für die Sammlung aller bejahenden, zukunftsgläubigen Kräfte selbstlos und mutig eingesetzt (Erich Valentin, Gustav Bosse †, in: Musik im Kriege 1, 1943/44, 113-114, hier 113). Und im Februar 1944 setzte Valentin anläßlich von Bosses 60. Geburtstag, nicht ohne eine gewisse Idealisierung, hinzu: [...] Bosse, der allem Verzagen abhold war, lebte in der steten Tatbereitschaft, die das Merkmal des deutschen Menschen ist. Als 1918 Deutschland und das deutsche Volk, vom Verrat getroffen, am Boden lag, als deutscher Geist und deutsche Kunst zu erliegen schienen, ging der im Schützengraben gestählte Frontoffizier Gustav Bosse, von Glauben und Zuversicht erfüllt, unverdroßen an das Werk. Bereits 1921 sandte seine ,Deutsche Musikbücherei‘ ihre ersten Bände in die Welt, Zeugnisse geistigen Wehrwillens und Künder ungebrochener Lebenskraft (Erich Valentin, Gustav Bosse zum Gedächtnis [aus Anlaß seines 60. Geburtstages], in: Musik im Kriege 1, 1943/44, 232-233, hier 232).

Im April 1944 erinnerte eine große Gedächtnisausstellung an den Verleger. In diesem Zusammenhang hielt der Laudator Hanns von Walther fest: Sein Wirken für die deutsche Musikkultur fand unter anderem Anerkennung durch die Verleihung der Bruckner-Medaille (Juni 1937) und der Otto Nicolai-Medaille (Februar 1943). Anläßlich des vierzigjährigen Bestehens des Verlages im Jahre 1952 schrieb ein unbekannter Autor weit sachlicher:

Als eine allen kulturellen und geistigen Fragen aufgeschlossene Persönlichkeit, die aus der Fülle allgemeinen Wissens und musikwissenschaftlicher Bildung schöpfte, wandte sich Bosse in der Gestaltung seines Verlages jenen Aufgaben zu, deren Bewältigung er als eine vordringliche Notwendigkeit ansah. Aus diesem Grunde rief er die Reihe ,Deutsche Musikbücherei‘ ins Leben, in der er all das der öffentlichkeit unterbreitete, was unbekannt oder vernachlässigt war (es sei an die Briefausgaben erinnert – Schütz, Bach, Lortzing, Nicolai, Cornelius, Bruckner -, an die Herausgabe von Schriften Hoffmanns). In der Mitte dieser großen Reihe, in der Mitte seines ganzen Lebenswerkes, stand das Bruckner-Schrifttum: die mehrbändige autorisierte Biographie von Göllerich-Auer, die Erinnerungen Friedrich Kloses (Vierzig Jahre Gustav Bosse-Verlag, in: Zeitschrift für Musik 113, 1952, 285-286, hier 285).

Nach Gustav Bosses Tod führte sein Bruder Walther Bosse (1887-1956) den Verlag, bis 1948 dessen Sohn Bernhard Bosse (* 1921) die Leitung übernahm. 1957 erwarb Karl Vötterle den Gustav Bosse Verlag, der innerhalb der Bärenreiter-Gruppe als eigenständiger Verlag weitergeführt wurde. 1987 gab Bernhard Bosse die Verlagsleitung ab, die nun Theo Geißler übernahm, bis der Verlag 1993 zum Bärenreiter-Verlag nach Kassel verlegt wurde, jedoch ohne die Neue Musikzeitung. Das Verlagsarchiv befindet sich seit Anfang 2002 im Stadtarchiv Regensburg, ist heute (2006) jedoch noch völlig ungeordnet.

4   Literatur

Zeiss, G., Bosse: Gustav. In: MGG, Bd. 2, 1952, 149.
Stein, Franz A.: Gustav Bosse Verlag. In: MGG, Bd. 15, 1973, 979-980.
... an Stelle einer Festschrift: 70 Jahre Gustav Bosse Verlag. Ein Gespräch zwischen Helmuth Hopf und Bernhard Bosse, Regensburg 1981.
Eckart Rohlfs: Bosse, Gustav (Musikverlag). In: MGG2, Bd. 3, 2000, 481-483.
Emmerig, Thomas: Regensburger Verlagsbuchhandlungen als Musikverlage (1850-1950). (Quellen und Abhandlungen zur Geschichte des Musikverlagswesens 3). Tutzing 2007, 299-308.
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