Bernhard Bosse wuchs in einem Umfeld von Musikverlegern und Musikalienhändlern auf. Sein Großvater Fritz Bosse (1851–1910) hatte 1886 in Leipzig den Bernhardine Bosse Musikverlag gegründet, sein Onkel Gustav Bosse (1884–1943) hatte 1912 in Regensburg den Gustav Bosse Verlag etabliert, sein Vater Walther Bosse (1887–1956) war Buch- und Musikalienhändler. Bernhard Bosse war nach dem Abitur 1939 am Kaiser-Wilhelm-Gymnasium in Berlin Kriegsteilnehmer. Als Marineoffizier entschied er sich für die Marineflieger und kam von Mai 1942 bis Ostern 1944 bei den Fernaufklärern in Tromsø zum Einsatz. Nach einer Erholungszeit wechselte er zu den U-Booten. Da die neuen Boote nach Abschluss seiner Ausbildung noch nicht einsatzfähig waren, blieb ihm eine Ausfahrt erspart. 1945 kehrte er aus dem Krieg zurück.
Eine eigene Berufsentscheidung wurde Bernhard Bosse abgenommen. Als Gustav Bosse 1943 starb, gab es keine Nachkommen. Aus der Familie standen als Nachfolger mein Bruder Detlev und ich zur Verfügung. Ich erhielt dann den Auftrag, den Verlag weiterzuführen. Am 1. August 1948 wurde mir die Lizenz von der US-Militärregierung, München, erteilt (Bernhard Bosse, in Hopf/Bosse 1981, S. 10). Übergangsweise hatte zunächst Walther Bosse (1887–1956) 1943 das Erbe Gustav Bosses angetreten. In den schwierigen Jahren während des Krieges und danach konnte er den Verlag erhalten. Vater und Sohn stellten sich der schwere[n] Aufgabe, mit neuen Wegen auch neue Ziele anzusteuern. Es scheint aber ein Charakteristikum der aus dem Braunschweigischen stammenden Bosses zu sein, dass sie Energie, Tatkraft, Phantasie und Unnachgiebigkeit genug besitzen, sich durch nichts beirren zu lassen und zuzupacken (E. Valentin: Vorwort, in: Valentin 1963, S. 9).
Im Dezember 1945 trat Bernhard Bosse ohne eine eigentliche fachliche oder kaufmännische Ausbildung in den Gustav Bosse Verlag in Regensburg ein. 1950 hatte ich die Chance, auf Einladung des State Department mit elf Kollegen für drei Monate zu Studien in die USA zu gehen. Viele bedeutende Verlegernamen waren in der Gruppe vertreten. Ich begriff, daß ich wohl einen guten Namen ererbt hatte, aber wirtschaftlich ein Nichts war. [...] Der Aufenthalt in Amerika war ein wichtiger Lernprozeß für mich. Ich lernte Größenordnungen zu sehen und neue Horizonte erkennen (Bernhard Bosse, in Hopf/Bosse 1981, S. 10).
Der Schriftleiter der 1950 wiederbelebten Zeitschrift für Musik Erich Valentin war für Bernhard Bosse zu einem wichtigen Lehrer geworden und er blieb weit über 1955 hinaus ein wichtiger Autor des Verlages. Mit dem Verkauf der Zeitschrift für Musik im Jahre 1955 und der Gründung der Neuen Musikzeitung, die damals noch Musikalische Jugend hieß, im Jahre 1952 startete Bosse neu mit dem Verlag und seiner programmatischen Ausrichtung. Die erste Entscheidung für ein Produkt, die ich als junger Verleger gefällt habe, ist die wichtigste in meinem Leben geworden [...]. Die nmz verkörperte eine neue Idee: Musikjournalismus (Bernhard Bosse, in Haack/Koch/Kolb 2011). Das schon vorher bestehende Umfeld kulturpolitischer und musiksoziologischer Fragen (Bosse in Hopf/Bosse 1981, S. 8), in dem Gustav Bosse sein Programm angesiedelt hatte, sollte aber nunmehr vorrangig das Profil des Verlages bestimmen. Das fehlende Kapital war der Anlaß für den Anschluß des Bosse-Verlages an die Bärenreiter-Gruppe Anfang 1957 (Bernhard Bosse ebenda, S. 13). Zentrale Bedeutung erlangte die Erfindung des Neuen geistlichen Liedes (seit 1959). Es ist für den Verlag die ,Phase des Flugblattes‘, der aktuellen, schnellen, prägnanten, mobilen, direkten Aussage und Ansprache an viele Menschen [...]. Diese Flugschriften sind angekommen und angenommen worden. [...] Es sind geistliche Volkslieder geworden (Bernhard Bosse ebenda, S. 18f.).
Im Rahmen des Gesamtforschungsunternehmens Neunzehntes Jahrhundert der Fritz-Thyssen-Stiftung übernahm der Bosse-Verlag die Betreuung des Arbeitskreises Musikwissenschaft, der zwischen 1965 und 1996 insgesamt 66 Bände Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts veröffentlichte.
1969 übernahm Bernhard Bosse zusammen mit der Namensänderung die Chefredaktion der Neuen Musikzeitung, die bis 1993 das Zentrum des Gustav Bosse Verlags bildete und bis heute (2012) als Deutschlands größte allgemeine unabhängige Musikfachzeitung gilt. Für Bosse wurde die Frage nach der Definition seines eigenen Verlegerinteresses zwischen zwei Möglichkeiten entscheidend: dem Verlegerinteresse als Unternehmer zu arbeiten oder [dem] Verlegerinteresse als kulturpolitischer Faktor zu wirken (Bernhard Bosse ebenda, S. 15). Er entschied sich für die Betreuung zahlreicher Verbände mittels der Neuen Musikzeitung.
In den 1970er Jahren begann im Verlag die Ära der Musikpädagogik: Erkenntnisse, Haltungen, Positionen werden festgeschrieben und vermittelt. Nicht nur im Bosse Verlag und für das Fach Musik, sondern bundesweit oder gar weltweit werden neue Unterrichtsmethoden und Schulbücher entwickelt (Bernhard Bosse ebenda, S. 19). Auf den Beginn mit dem damals neuen Unterrichtsprogramm Musikalische Früherziehung (seit 1970) folgten Schritt für Schritt aufbauend weitere Programme für alle Altersstufen bis hin zum Bereich Musik in der Sozialpädagogik und zur musikalischen Arbeit mit Behinderten (seit 1979). Die von Walther Bosse mit Rudolf Kloibers Handbuch der Oper begonnene Handbuchreihe für Lehrende, Studierende und Schüler wurde auf 20 Titel ausgebaut; dazu kamen viele Titel für den Unterricht in den Sekundarstufen 1 und 2, teilweise mit Schallplatten und Tonbändern.
Mit dem 1983 erschienenen Buch Chor aktuell, herausgegeben von Kurt Suttner u.a., das zahlreiche kompositorisch und textlich neue Lieder enthält und in fast allen Bundesländern als Schulbuch eingeführt wurde, setzte eine umfassende Erneuerung des Chorwesens ein. Es folgten Arbeitshilfen zu Chor aktuell mit Aufführungs- und Dirigieranweisungen sowie viele Einzelblattausgaben, auch für unterschiedliche Besetzungen.
Als wichtiges Objekt ist schließlich noch der Musik-Almanach zu nennen, der 1986 erstmals als zentrales Nachschlagewerk zum Musikleben in Deutschland publiziert und seither jedes dritte Jahr neu aufgelegt wurde. 1987 zog Bernhard Bosse sich aus dem Verlag zurück.
Bernhard Bosse gilt als ein Musikverleger mit Mut zur eigenen Infragestellung, mit viel Fantasie für Innovationen und einem ausgeprägten Gespür für kulturpolitische Notwendigkeiten – weit über den Rahmen von Musik hinaus (Helmuth Hopf, in Hopf/Bosse 1981, S. 7). Eckart Rohlfs, der langjährige Weggefährte, schrieb Bosse rückblickend in einem offenen Brief zum 90. Geburtstag: Du verstandest als Verleger wie als Redakteur Nischen aufzuspüren, brisante Probleme aufzugreifen und mit einer Vielzahl aktueller Publikationen zu beantworten. Nachhaltigste Schnittstelle, denke ich, war die Idee jenes, alle Strukturen des deutschen Musiklebens erfassenden Nachschlagewerks mit dem Arbeitstitel ,Musik-Almanach‘; doch von den ersten Entwürfen bis zur Realisierung, dann in redaktioneller Obhut des Deutschen Musikrats, brauchte es immerhin 20 Jahre (Rohlfs 2011).