Aloys Fleischmann wuchs als Sohn des Schuhmachermeisters Alois Fleischmann (1844-1914) und dessen Gattin Magdalene Fleischmann, geb. Deger, (1846-1928) in Dachau auf. Nach der Volksschule und dem Vorkurs an der Münchner Akademie der Tonkunst von 1896 bis 1898 studierte er dort von 1898 bis 1901 Komposition, Orgelspiel und Dirigieren, u.a. bei Gabriel Joseph Rheinberger. Fleischmann bestand seine vorgezogene Abschlussprüfung mit Auszeichnung und übernahm die Kirchenmusikerstelle in Dachau. Hier befand sich zu dieser Zeit eine der bedeutendsten Künstlerkolonien, die schon Maler wie Carl Spitzweg, Max Liebermann, Adolf Hölzel oder Hermann Stockmann angezogen hatte. Auch der Schriftsteller Ludwig Thoma lebte während Fleischmanns Jugend im rund 6000 Einwohner zählenden Dachau. Fleischmann bewegte sich somit in einem kulturellen Mikrokosmos, der ihn nachhaltig prägte und inspirierte.
Mit gezieltem Plan setzte sich Fleischmann für das Dachauer Kulturleben ein, nutzte seine Kontakte zu Münchner Berufsmusikern, die er für Konzerte in Dachau verpflichten konnte, gründete eine Singschule (1902) sowie eine Musikschule für Orchesterinstrumente (1905). Diese Musikschule ist ein methodisch äußerst interessanter Modellfall: Die für die Musikschule ausgearbeitete Lehrkonzeption war für ihre Zeit hochmodern; sie weist sowohl wichtige inhaltliche Charakteristika der Konservatoriumstradition des 19. Jahrhunderts als auch Elemente der damals aktuellen musikpädagogischen Diskussion auf. Dadurch löste Fleischmann auf bemerkenswerte Weise u.a. wichtige Postulate bezüglich der Verbindung von Theorie und Praxis im Unterricht, der Notwendigkeit gut ausgebildeter Lehrer und der Erziehung der Jugend sowohl zur als auch durch Musik ein, wie sie teilweise deutlich später noch von Musikpädagogen wie Hermann Kretzschmar, Leo Kestenberg oder Fritz Jöde formuliert wurden.
Fleischmann war in diesen Jahren nach der Jahrhundertwende ein aufstrebender Komponist und Künstler. Sein Schaffen umfasste bereits zahlreiche Kunstlieder und Chorwerke. Die zusammen mit bildenden Künstlern wie Hermann Stockmann multimedial konzipierten und von 1904 bis 1906 weltweit Beachtung findenden Dachauer Weihnachtsspiele (eine Wiederbelebung und Neudefinition der süddeutschen Krippenspieltradition aus dem Geiste der spätromantischen Musik heraus) wurden, wie durch Zeitungsrezensionen belegt, auch in europäischen und amerikanischen Kulturzentren rezipiert; mehrere Verleger fragten bei Fleischmann an, ob sie seine Kompositionen publizieren und in anderen Städten zur Aufführung bringen dürften. Verschiedene Gutachten und Empfehlungsschreiben deutscher Domkapellmeister und Musikprofessoren, darunter Rheinberger, stuften Fleischmanns Kompositionen als hervorragend ein.
Sein bekanntestes Werk aus dieser Zeit ist das Weihnachtsspiel von 1905, Die Nacht der Wunder, für das Fleischmann sämtliche Musik neu schrieb und sie mit dem Tonhalle-Orchester München im Saal einer Dachauer Gaststätte zur Aufführung brachte. Der Text stammte vom Schriftsteller Franz Langheinrich, angelehnt an eine Weihnachtsgeschichte der schwedischen Autorin Selma Lagerlöff, wobei die Weihnachtsgeschichte in das Dachauer Moos verlegt wurde. Das Bühnenbild und die Kostüme wurden von den Dachauer Künstlern Hermann Stockmann und August Pfaltz entworfen. Dieses multimediale Konzept Fleischmanns war wegbereitend für das Schaffen anderer Komponisten und Künstler, man denke an die Weihnachtssingen Oscar Besemfelders oder an das Salzburger Adventssingen von Tobi Reiser. Auffallend ist auch, dass Hans Pfitzners, der in Anbetracht der deutschlandweiten Medienberichterstattung auf Fleischmanns Weihnachtsspiele sowie einer durch die Nacht der Wunder bedingten Reise Fleischmanns zu Richard Strauss nach Berlin, wo auch Pfitzner weilte, mit großer Wahrscheinlichkeit aufmerksam geworden war, in der Zeit nach Fleischmanns Nacht der Wunder-Aufführungen sein Christelflein fertig ausarbeitete – wie Fleischmanns Werk in Form eines Melodrams. Das in Fleischmanns Weihnachtsspielen verwirklichte Konzept, die Weihnachtsgeschichte in Form eines Mysterienspiels ins Dachauer Moos zu verlegen und teils auch in bairischer Mundart vorzutragen, findet sich in Grundzügen aber auch etwa in den Weihnachtsspielen Carl Orffs wieder.
Doch der angebahnte Erfolg wurde im Keim erstickt, denn 1906 musste Fleischmann nach Cork in Irland auswandern, um dort für die Familie seiner jungen Gattin Tilly Fleischmann, deren Vater, Domkapellmeister Conrad Swertz, nach Philadelphia ausgewandert war, zu sorgen. Immerhin war dies für Fleischmann mit einem beruflichen Aufstieg verbunden: Er war auf dem Gebiet der alten vokalpolyphonen Kirchenmusik bestens ausgebildet; infolgedessen wurde ihm nach dem Motu proprio Tra le sollecitudini von 1903 bezüglich einer Rückkehr zur alten Kirchenmusik und des Verbots von Frauenstimmen in der Kirchenmusik 1906 die Domkapellmeisterstelle in Cork angeboten, eine Stelle, die er bis 1962 bekleidete.
Seine Schaffenskraft hielt Fleischmann dabei auch in Irland aufrecht: In einer Zeit der kulturellen Identitätsfindung des nach politischer Unabhängigkeit strebenden Landes wurde er in Irland eine bedeutende Integrationsfigur der kulturellen Institutionalisierung. Geprägt durch die fruchtbare interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Dachauer Künstlerkolonie sowie durch die florierende Kulturlandschaft der Residenzstadt München half er in Irland Strukturen daran angelehnter kultureller Vereinigungen und Institutionen sowie eines internationalen Kulturaustausches aufzubauen, etwa als Mitglied der Munster Society of Arts, die aus zehn Musikern, davon fünf Kontinentaleuropäern, Literaten, bildenden Künstlern, Pfarrern und Wissenschaftlern bestand. Zahlreiche Chorgründungen verschiedener Besetzungen in Südirland gehen auf Fleischmann zurück.
Als Musikpädagoge nahm er entscheidenden Einfluss auf spätere Protagonisten der irischen Musikkultur, darunter die Komponisten und Musikforscher Seán Ó Riada (1931-1971) sowie Aloys Fleischmann d.J. (1910-1992), von 1934 bis 1980 Professor für Musik am University College Cork. Der Chor der Corker Bischofskathedrale wurde unter Fleischmanns Leitung zu einem führenden Ensemble für alte Kirchenmusik, das zahlreiche Rundfunkaufnahmen bestritt, die jedoch verschollen sind; der Komponist Arnold Bax äußerte sich im Londoner Daily Telegraph begeistert über Fleischmanns Chor, woraus eine enge Freundschaft zwischen Fleischmann und Bax entstand. Oft wirkte Fleischmann in Cork, seinem Wesen entsprechend, als möglichst unauffällig auftretender Organisator. Seine Verdienste gerade um die irische Kirchenmusik, die Ausbildung einer jüngeren Musikergeneration, die Fleischmann nachhaltig mitprägte, sowie die musikalische Hochkultur in Irland generell sind jedoch evident.
Als Komponist blieb Fleischmann trotz eines eindeutigen Interesses für die irische Kultur und eines Aufgreifens vieler traditioneller irischer Lieder letztlich einer deutsch-romantischen Tradition verbunden. Seine Kirchenmusik schrieb Fleischmann für die hohen Feste an der Bischofskathedrale in Cork. Gerade aber seine über 100 Kunstlieder und weltlichen Chorsätze für sämtliche Chorbesetzungen sind zum überwiegenden Teil Vertonungen deutscher Lyrik.
Fleischmann präsentiert sich somit als sehr facettenreiche Persönlichkeit, deren musikhistorische Bedeutung in einer engen Verflechtung und auch gegenseitigen Befruchtung der Bereiche Komposition, Institutionalisierung von Kultur, musikpädagogischer Konzeption, kulturellem Austausch zwischen Süddeutschland und Irland, Aufbau kirchenmusikalischer Strukturen und einer Wirkungsgeschichte als später einflussreiche Persönlichkeiten der irischen Kultur nachhaltig prägender Pädagoge liegt. In kompositorischer Hinsicht sind seine Weihnachtspiele und deren Wirkungsgeschichte hervorzuheben.
Von Fleischmann sind nach derzeitigem Forschungsstand fast 600 Kompositionen überliefert, fast ausschließlich in Form handschriftlicher Manuskripte, darunter sowohl Reinschriften als auch zahlreiche Skizzen. Nur wenige Sololieder und Chorsätze sind im Druck erschienen. Sämtliches Notenmaterial befindet sich dabei im Universitätsarchiv Cork.
Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Volumina der einzelnen kompositorischen Schaffensbereiche:
Werke insgesamt | 585 |
---|---|
Musiktheater | 6 |
Geistliche Vokalmusik | 249 |
Weltliche Vokalmusik für Solostimme | 116 |
Weltliche Chormusik | 128 |
Instrumentalmusik | 86 |
Genaue Information ist im Baccae Werkverzeichnis zur Musik zu finden.