Lipowsky 1811
Graf, (Friedrich Hartmann):
Graf, (Friedrich Hartmann), jüngerer Bruder des Fürstl. Schwarzenburg -- Rudolstädtischen Kapellmeisters Karl Friedrich, war Doktor der Musik, Kapellmeister und Musikdirektor zu Augsburg. Er wurde zu Rudolstadt 1730 geboren, erlernte dort die Musik, begab sich 1759 nach Hamburg, und hielt daselbst bis zum Jahr 1764 mit vielem Beifalle öffentliche Winterkonzerte. Hierauf reiste er nach Engeland, Holland, Deutschland, und der Schweiz, und endlich nach Italien, und erwarb sich als Flautroversist und Kompositeur überall große Celebrität.
Nachdem er diese Reisen vollendet hatte, kam er anfangs als Musikus in die Dienste des regierenden Grafen Bentheim zu Steinfurt, wo er aber nicht lange verweilte, sondern mit seiner Familie nach dem Haag, wohin er den Ruf erhielt, zog. Hier blieb er bis zum Jahr 1772, in welchem Jahre er als Kapellmeister nach Augsburg, an Seyferts Stelle kam. Im Jahre 1779 berief man ihn nach Wien, um für das dortige Theater eine deutsche Oper zu schreiben, und in den Jahren 1783 und 1784 ward ihm zu London, nach des Bach Tode, die Direktion, und die Komposition des alldort errichteten großen Konzerts anvertraut. Graf entsprach gänzlich dem Vertrauen, das man in ihn gesetzt hatte, und machte seiner Direktion alle Ehre. Die Britten wünschten daher ihn als Direktor des großen Konzertes zu behalten, und machten ihm sehr liberale Anträge; allein Graf war nicht um Geld feil, und zog ein ruhiges Leben zu Augsburg diesem glänzenden Amte in London vor. Als er in diese ehemalige Reichsstadt wieder zurückegekommen war, blies er keine Flöte mehr, sondern beschäftigte sich lediglich mit Kompositionen und der Musikdirektion.
Die Britten blieben indessen nicht undankbar gegen den deutschen Künstler, sondern bezeigten ihm ihre Achtung dadurch, daß sie ihn zu Oxford zum Doktor der Musik promovirten, und ihm das Diplom im Monate Oktober 1789 überschickten. Zum Ruhme dieses Kapellmeisters ist noch zu bemerken, daß er schon im J. 1779 zum Ehren-Mitgliede der freien Künste zu Kopenhagen ernannt worden, daß er zur Aufnahme und Verbesserung der evangelischen Kirchenmusik in Augsburg alles beygetragen, und viele gute Musiker und Sänger gebildet, und überhaupt sich beeifert habe, die Musik in Augsburg zu verbessern. Graf hat sehr viele Konzerte für Blasinstrumente in London und Augsburg verfertiget, welche theils gestochen und theils gedruckt wurden, auch schrieb er in letzterer Stadt mehrere Kantaten. Zu London waren seine Concerti grossi sehr berühmt. Von Kompositionen, die er für Singstimmen verfertigte, sind vorzüglich bekannt: a) Der 29ste Psalm nach Cramer’s Uebersetzung. b) Die Hirthen bei der Krippe zu Bethlehem nach Ramler’s Dichtung. c) Andromeda, eine heroische Cantate nach der Poesie des Paul v. Stetten. d) Die zu London mit allem Beifalle aufgeführte Cantate: invocation of Neptune and his attendant Nereids of Britannia. (Die Anrufung des Neptuns und seines Gefolges der Nereiden von Großbrittanien, um die Oberherrschaft des Oceans zu behalten). Das Oratorium: Die Sündfluth wollte er auch komponiren; allein es geschah nicht, daher dasselbe nachhin der Sachsen -- Weimarsche Kapellmeister Wolf in Musik gesetzt hat. Paul v. Stetten’s Leben und Charakter. (Augsb. 1809.) S. 27. v. Stetten Kunst- Gewerbs- und Handelsgesch. S. 550. Graf starb zu Augsburg 1797.