Lipowsky 1811
Haydn, (Michael):
Haydn, (Michael), ward 1737 den 14. Sept. zu Rohrau in Niederösterreich, unfern der Leitha an der ungarischen Grenze, geboren. Sein Vater, ein Wagner, spielte die Harfe, wodurch der Musiksinn in ihm sowohl, als in seinem Bruder Joseph aufgeregt wurde. Im Kapellhause zu Wien zeigte sich bald sein Talent auf der Orgel, und sein schöner Gesang reizte selbst den Kaiser und seine Gemahlinn, sich um seine nähern Umstände zu erkundigen und ihn zu beschenken. In seinem 20sten Jahre war er nach Großwardein als Kapellmeister, und fünf Jahre darnach nach Salzburg als Konzertmeister mit 300 Gulden Besoldung und freier Tafel gerufen. Ein Jahr darauf heirathete er dort. Er wurde öfter von großen Höfen seiner Kunst halber geehrt und aufgemuntert; so bestellte die verstorbene Kaiserinn von Oesterreich manche Kirchenmusik (1), und bezalte sie ihm gut, ja sogar vom spanischen Hofe wurde eine doppeltchörige Messe bestellt. Desgleichen verfertigte Haydn mehrere Kirchenmusiken nach Stockholm, woselbst er Mitglied der Königl. Akademie der Tonkunst war. Selbst Vogler besuchte ihn, da er in Salzburg sich befand, täglich, und nannte ihn, aus Achtung für seine Kunst, Vater und Meister.
Besondere Stücke von ihm werden hier folgende gelobt: Die HYMNE; Lauda Sion Salvatorem -- Pax vobis Alleluja -- Tenebrae factae sunt- Das Urtheil des Salomon, ein musikalisches Drama. Viele vierstimmige Lieder, u. s. m. Seines Bruders Schöpfung hatte er große Lust fortzusetzen, wenn Jean Paul den Text dazu geliefert hätte. Sonst sind viele Messen, Litaneien, Vespern, Simphonien, Konzerte etc. von ihm bekannt und berühmt. Er starb den 10. August 1806 an der Auszehrung. Haydn war übrigens ein wissenschaftlich gebildeter Mann; er liebte die alte klassische Litteratur, und unter den neuern besonders Wieland’s Schriften. Als Mensch war er in jeder Hinsicht brav, in Gesellschaften wurde er allenthalben geehrt, und vorzüglich im Cirkel von Kunstverständigen. In seinem Leben war er aber nie dahin zu bringen, seine musikalischen Werke zu ediren, obschon ihn Breitkopf und Härtl in Leipzig darum ansprachen. Biographische Skizze von Mich. Haydn. (Salzburg 1808.) Nachr. über das Erzstift Salzburg nach der Säkularisation. (Passau 1805.) B. I. S. 159.
Anm. 1: Wer nur einige Kenntnisse in der Geschichte der Tonkunst besitzt, wird nicht widersprechen, daß im sechszehnten Jahrhundert alles, was musikalische Kunst und Wissenschaft heißt, der Kirche allein sein Daseyn verdanke, und von dieser unterstützt, erhalten, und vervollkommnet wurde. Dieses sah Johann Peter Alois Pränestinus päbstlicher Kapellmeister an der Peterskirche unter Klemens VIII. wohl ein, denn als 1555 die Kunst der Fugen bei Kirchenmusiken auf das höchste gestiegen war, man nur den Text ohne alle Ueberlegung des schicklichen der Musik unterlegte, und Pabst Marzell II. zur Unterdrückung dieses Unfuges entschlossen war, die figurirte Musik in den Kirchen ganz abzuschaffen, bat ihn Pränestinus, der damals erst 26 Jahre alt gewesen, nur eine Messe von seiner Komposition in desselben Gegenwart aufführen zu dürfen. Der Pabst gewährte ihm seine Bitte, und stand von seinem Vorsatze gänzlich ab, als er diese in wahren feierlichen Kirchenstil geschriebene Messe gehört hatte. Hätte hier der Pabst vor der Reformation die Kirchenmusik allgemein abgestellt; so würde es, wenn etwann nicht Luther dieselbe in der Folge in Schutz genommen, und beim Gottesdienste eingeführt hätte, um die Tonkunst zuverläßig geschehen seyn. Daß Doctor Martin Luther eine große Neigung zur Musik gehabt, und in derselben erfahren gewesen, ist bekannt aus Seckendorf’s Geschichte des Lutherthums. S. 21.