Prieberg 1/2004
Huber, Kurt:
Huber, Kurt
Chur (Schweiz), 24. Oktober 1893 - München, 13. Juli 1943
(hingerichtet).
Dr. phil. München 1918 (Ivo de Vento), Habilitation München 1919.
Musikwissenschaftler und Volkskundler, ab 1926 a. o. Professor für
Psychologie an der Universität München. 1937-38 Leiter der Abt.
Volksmusik am Staatl. Institut für Musikforschung in Berlin, dann
wieder in München. Mitglied des Konzertausschusses der "Hauptstadt der
Bewegung".
NSDAP seit 1/IV/40, Nr. 8.282.981, auf Antrag vom 15/II/40, ausgestoßen
am 3/IV/43; NSV.
Er war einer der Hauptangeklagten im Prozeß des Volksgerichtshofs,
gegen die "Weiße Rose" wegen "Sabotage der Rüstung, Aufruf zum Sturz
der nationalsozialistischen Lebensform unseres Volkes, Beschimpfung des
Führers", also Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung - durch
Verfassen eines Flugblatts.
Der Aufbau deutscher Volksliedforschung und Volksliedpflege ("Deutsche
Musikkultur" I/1, April-Mai 1936. S. 65-73).
Huber propagierte sehr angepaßt die "Reinerhaltung des echten deutschen
Volksgutes" und empfahl das Lied der Väter, "mit deren völkischer Art
man durch Blut erbhaft verbunden" sei.
Altbayrisches Liederbuch für Jung und Alt. Hgb. von K. Huber und Kiem
Pauli (1936) [Sc].
September 1936, Besprechung:
"Die beiden Volksliedforscher Huber und Pauli haben in diesem kleinen
Heft der bayrischen Volksseele ein köstliches Denkmal gesetzt. Man
blättert mit größtem Vergnügen, spürt von Lied zu Lied mehr die Kraft
eines Volkstums, wie sie sich in der innigen Hingabe an die ewigen
Dinge ebenso äußert wie in echt bajuvarischer Daseinsbejahung, sei das
nun im stampfenden Tanzschritt, in jodelnder Lebensfreude oder im
derben schlagkräftigen Humor. Das Heft, das auch zeichnerisch hübsch
ausgestattet wurde, wird immer Freude bringen" (Walter Rein:
Altbayrisches Liederbuch für Jung und Alt. "Die Musikpflege" VII/6,
September 1936. S. 265). 19. November 1937, Denunziation :
"Ich kann Ihnen vertraulich mitteilen, dass Professor Huber töricht
genug war, sich selbst eindeutig zu entlarven. Während der vor kurzem
abgeschlossenen Expedition nach Jugoslavien, die der Erforschung
volksmusikalischer Fragen dienen sollte und über die in der Presse
verschiedentlich berichtet worden ist, warnte Huber, der als einer der
offiziellen Vertreter teilnahm, die darüber sehr erstaunten anderen
Mitglieder der Expedition vor der Einflussnahme des 'Rosenbergkreises'!
Hubers Bindungen zum Katholizismus und sogar eine ausgesprochen
parteifeindliche Haltung sind eindeutig erwiesen" (ARR, Hauptstelle
Kulturpolit. Archiv, Dr. Gerigk, an Reichsstudentenführung, Kulturamt,
19/XI/37. Quelle: BA NS 15/ 5).
Die volkskundliche Methodik in der Volksliedforschung ("Archiv für
Musikforschung" III/3, 1938).
18. Januar 1940, Beurteilung:
"(...) Einigemale ist der Vorwurf katholischer Bindungen geäußert
worden, den z. B. Hubers nächster Fachkollege Prof. A. Grunsky,
vorsichtig so formuliert hat: 'Eine wenn auch nicht sehr starke
weltanschauliche katholische Bindung...'
Trotz wiederholter Bemühung ist es mir nicht gelungen festzustellen,
auf welchen nachweisbaren Tatsachen dieser Vorwurf beruht. Aus
Gutachten und Akten ergibt sich nichts. Huber selbst erklärt, er sei
zwar Katholik, habe aber keinerlei Beziehung zu kirchlichen Kreisen. Er
habe mehrere Versuche abgelehnt, ihn an eine phil.-theol. Hochschule
als Professor zu bringen, weil er als Wissenschaftler keine Bindung
anerkennen könne. Von neutraler (protestantischer) Seite erfahre ich,
daß Huber den Eindruck eines wissenschaftlich völlig von
Glaubensvoraussetzungen unabhängigen Menschen mache. --- Zu seinem
früheren jüdischen Kollegen Hönigswald hat er in keinen guten
Beziehungen gestanden. Für H. spricht, daß er seit 1925 schon
eingehende Volkslied-Studien gemacht hat. Dies zeigt einen gesunden
Forschungsansatz. Oberbürgermeister Fiehler hat ihm 1938 für seine
Verdienste im Konzertausschuß der Hauptstadt der Bewegung Dank
ausgesprochen.- Er und seine Frau sind Mitglieder der NSV.
Zusammenfassend: Ich habe schon 1939 dem Dekan meine Bedenken gegen
Huber angemeldet, konnte mich aber in Würdigung der Gesamtlage nicht
entschließen, für eine Entfernung Hubers aus dem Hochschuldienst zu
stimmen. Daher ist vonseiten des Dekanates seine Ernennung dem Herrn
Reichsminister gegenüber, wenn auch mit Bedenken, vertreten worden"
(NSDAP Gau München, Gaupersonalamt, an Gauamt für Erzieher der NSDAP,
18/I/40. Quelle: BA Namensakte Huber).
19. April 1943:
K. Huber wird vom 1. Senat des Volksgerichtshofs München wegen
Hochverrats zum Tode verurteilt.
Richter der Hauptverhandlung: Präsident des Volksgerichtshofs Dr.
Freisler als Vorsitzender, Landgerichtsdirektor Stier, SS-Gruppenführer
und Generalleutnant der Waffen-SS Breithaupt, SA-Gruppenführer Bunge
und SA-Gruppenführer und Staatssekretär Köglmaier.
Aus der Urteilsbegründung:
"(...) Aber ein deutscher Hochschulprofessor ist vor allem ein Erzieher
unserer Jugend und hat als solcher besonders in Not- und Kampfzeit
darauf hinzuwirken, daß unsere Hochschuljugend zu würdigen jüngeren
Brüdern der Kämpfer von Langemarck erzogen wird; daß sie in absolutem
Vertrauen zu unserem Führer, zu Volk und Reich gekräftigt wird, daß
ihre Glieder harte und opferbereite Kämpfer unseres Volkes werden! Der
Angeklagte Huber tat aber genau das Gegenteil: Er stärkte Zweifel
anstatt sie zu töten; er führte Reden über Föderalismus und Demokratie
mit Mehrparteiensystem als Notwendigkeiten für Deutschland, statt
ehernen Nationalsozialismus zu lehren und vorzuleben. In einer Zeit, in
der es nicht darauf ankam, Probleme zu wälzen, sondern darauf, das
Schwert zu packen, säte er Zweifel in unsere Jugend.
(...) Ein solcher 'Professor' ist nach den großen Trommlern der Pflicht
unter den deutschen Professoren, nach Fichte und Kant, ein Schandfleck
der deutschen Wissenschaft, den diese mit Recht vor einigen Tagen im
Zusammenhang mit diesem Verfahren ausgemerzt hat: mit Schimpf und
Schande wurde er aus Amt und Würden entfernt" (Quelle: Kopie im AP).
Geschichtsfälschung, 2003: "(...) Ein treffendes Beispiel für solche
menschlichen Verwicklungen ist Kurt Huber. Märtyrer der
Widerstandsbewegung der Weißen Rose, bedeutender Wohltäter der
Unterstützung der NS-Regierung für die Pflege der Volksmusik, stand
Huber auf der Warteliste, um der Nazi-Partei beizutreten, ehe er
während des Krieges über das Regime enttäuscht war (...)" (Pamela
Potter: Stellungnahme zu einem Beitrag von Michel Huglo über C. G.
Fellerer für "The Musical Quarterly". Manuskript, Mai 2003. Provenienz:
Willem de Vries. übersetzung).
Wissenschaftler, die nicht imstande sind, das Minimum von Recherche zu
leisten, das die historische Wahrheit ans Licht gebracht hätte,
blamieren sich nur. Huber war Mitglied der NSDAP nach Aufnahmeantrag
vom 15/II/40 und Aufnahme am 1/IV/40, hätte also zu diesem Zeitpunkt
durchaus längst vom Regime enttäuscht sein müssen. Die menschlichen
Verwicklungen sind zumeist solche der Nachkriegshistoriker.
Information: DNML, DML, FA, MM2, RML, SML, MGG.