Gerber 1/1812, Bd. 2
Isaac (Heinrich) zuletzt Kaisers Maximilian I. Kapellmeister, einer der ältesten deutschen Kontrapunktisten und Schüler Josquins, geb. ums Jahr 1440, blühete schon um 1475 zu Florenz als Kapellmeister der Kirche S. Giovanni, wo er, wie Quadrio meldet, der erste war, welcher die Gesänge des Lorenzo de’ Medici, in verschiedenen Balladen-Arien für 3 Stimmen, zu einer damals sehr gewöhnlichen maskirten Procession, in Musik setzte. So unbezweifelt er nun auch immer hierin als ein Musiker für die hernach so berühmten Italiäner gelten kann; so war er dies doch, nach der Versicherung des Angelus Politianus und des Glarean, noch mehr in Ansehung der Kirchenmusik. Letzterer, dem wir zugleich alles zu danken haben, was uns noch von Isaacs Werken übrig ist, rühmt sie ganu besonders, indem er sagt, „daß man darin große Talente und viel Kunstkenntnisse entdecke.“ Heinrich Isaac“ fährt er fort, „wußte diejenigen Kirchengesänge, welche sich durch eine besondere Kraft oder Erhabenheit auszeichneten, durch solche vortreffliche Harmonien zu verschönern, daß sie jedes neues Produkt dieser Art (er schrieb 1547) übertreffen. Er verstand sich besonders auf die Manier, eine Partie mit haltenden Noten zu setzen, indeß die übrigen in beständiger Bewegung um sie waren; gleich den Meereswogen um einen Felsen im Sturme.“ Aber eben dieses warme Lob Glareans überzeugt den Burney, wie viel der Kunst in dessen Zeitalter an Volllkommenheit noch gefehlt habe. „Wirklich“ setzt e hinzu, „findet man eine gewisse Leichtigkeit in den Nachahmungen eines der vierstimmigen Sätze, welche Glarean eingerückt hat. Dagegen findet man weder Grazie in der Melodie, noch merkliche Schönheit in der Harmonie. Die eine gibt er rauh und holpericht, und die anderen roh und unverdaut; wozu seine allzugroße Anhänglichkeit an der Tonart, welche er mixolydisch zu nennen beliebt, nicht wenig beyträgt.“ Isaac’s Talente blieben in seinem Vaterlande nicht unbekannt und unbelohnt. Maximilian I. welcher von 1493 bis 1518 als Kaiser regierte, ernannte ihn zu seinem Kapellmeister, wie in Stettens Kunstgeschichte, S. 42. gemeldet wird. Sein Todesjahr ist aber eben so wenig auszumachen, asl sein Geburtsjahr oder sein Geburtsort. Genug, daß er von allen Schriftstellern ein Deutscher genennt wird. Noch ist der Mißverstand zu merken, welchen die Italiäner durch die lächerliche Verdrehung seines Namens in Arrigho in die Literatur gebracht haben. Wirklich ist er im a. Lex. auch schon einmal unter dem Namen Tedeschi (Arrigo) aufgenommen worden. Auch Dr. Burney wußte anfangs nicht, was er aus diesem Arrigho machen sollte, bis er die Rüge Glareans, wegen dieses vom Politian veränderten Namens, fand.
Was nun Glarean von Isaacs Werken eingerückt hat, kann ich, da sein Werk nicht zur Hand ist, leider hier nicht anzeigen. Indessen würde es auch verlorne Mühe seyn, da dessen Dodecachordum wohl für die mehresten Leser als verloren gelten kann. Um so willkommener müssen uns also die Probestücke von dessen Arbeit seyn, welche uns Hawkins und Burney, und noch neuerlichst Hr. Dr. Forkel, in ihren Werken aus dem Glarean vom neuen wieder haben abdrucken lassen. Es sind dies folgende: 1) Hymne: Conceptio Mariae virginis etc. à 4 voc. s. Hawkins, Vol. II, p. 420 - 430. 2) Anima mea etc. à 4 voc. s. Burney Vol. II. p. 521. 522. 3) Loquebar de testimoniis, à 4, welches Glarean als Beyspiel der alten lydischen Tonart anführt, s. Ebend. S. 523. 524. Auch hat uns diesen Satz Hr. Dr. Forkel im II. B. seiner Geschichte von S. 671 - 675 gegeben. 4) Gesang: Es hat ein Bau’r ein Töchterlein etc. à 4. Aus einer gedruckten Sammlung: CXV guter newer Liedlein, mit 4, 5, 6 Stimmen, vor nie im Truck außgangen, Deutsch, Französisch, Welsch und Lateinisch, lustig zu singen, und auff die Instrument dienstlich, von den berhümbtesten dieser Kunst gemacht. Nürnberg. bey Joh. Ott, 1544, worin 10 Stücke von Isaac vorkommen. s. Forkels Gesch. B. II. S. 676 - 685. 5) In einer andern Sammlung weltlicher Lieder für 4 Stimmen, q (?) 4. gedruckt ums Jahr 1548, welche sich noch auf der Zwickauischen Blibliothek befindet, kommen auch Melodien von Isaac vor. 6) H. Isaac, Missarum insignium quinque vocum. Das einzige Werk von lauter Kompositionen Isaacs, so ich unter meinen Nachrichten aufgefunden habe, wird noch auf der Bilbiothek zu München aufbewahrt. Zwar in fol. regal. vid. Cod. 3; auf solche Weise aber nur, so wie folgende daselbst befindliche, in Mst. als: 7) Officia, Introitus etc. Vid. Cod. 29. 30. 31. 32. 33 8) Officia. vid. Cod. 35. 36. 37. 38. 9) Missae. vid. cod. 47. 10) Credo. vid. Cod. 53. 11) Missae. vid. Cod. 57. 12) Er ist auch der Komponist der Melodie zu dem Liede: Inspruck, ich muß dich lassen etc. welche so viel Beyfall fand, daß man das geistliche Lied dazu dichtete: O Welt ich muß dich lassen etc. und sie mit diesem Texte in der Kirche sang. Lange hatte ich diesen Gesang in meinem Vorrath von Choralbüchern vergebens aufgesucht, als mir noch, indem ich so eben an diesem Artikel schrieb, Stengers Erfurtisches Gesangbuch mit Melodien, von 1663, beyfiel. Und siehe! die Melodie zu „O Welt ich muß dich lassen etc.“ war das traute liebe: Nun ruhen alle Wälder etc. weswegen uns unser alter Landsmann Isaac um so schätzbarer seyn muß, da dieser Gesang jenes harte Urtheil des D. Burney über Isaacs rauhe und holperichte Melodien hinlänglich widerlegt. Endlich verdient noch das sonderbare Zusammentreffen der Umstände in dem Artikel des Argyropylus im a. Lex. bemerkt zu werden, wo es heißt: „Argyropylus habe einen Sohn, Namens Isaac hinterlassen, welches ein vortrefflicher Tonkünstler gewesen sey.“ Wie, wenn unser Isaac dieser Sohn gewesen wäre? Der Zeit nach könnte er es wenigstens gewesen seyn, da Argyropylus schon ums Jahr 1430 lebte. Auch die noch übrigen wenigen Nachrichten von Heinrich Isaac’s jugendlichem Alter bestätigen, daß er seine frühern Lebensjahre durchaus in Italien, dem beständigen Aufenthalte des Argyropylus zugebracht habe, Nur fragt es sich, wie man ihn dann einen Deutschen habe nennen können? - Indessen lebten diesejenigen, die ihn so nannten, um 50 und mehrere Jahre später, nachdem Isaac als Kapellmeister des deustchen Kaisers gestorben war, und Politian, der 1494, (nicht 1594) starb, der es also am besten wissen konnte, nennt ihn, so weit meine Nachrichten reichen, nirgend einen Deutschen. - Auf der andern Seite könnte man ihm aber auch wohl den Beynamen Tedesco gegeben haben, um ihn von dem italiänischen Isaac, dem Sohne des Argyropylus, unterscheiden zu können.