Lipowsky 1811
Mingotti, (Regina von):
Mingotti, (Regina von), von deutschen Aeltern erzeugt, und in Neapel 1728 geboren, kam mit ihrem Vater, einem österreichischen Offizier, als sie kaum ein Jahr alt gewesen, nach Glatz in Schlesien, wo sie frühe ihren Vater verlor, und daher von ihrem Oheim in ein Ursuliner-Kloster zur Erziehung gegeben worden.
Die Musik, welche die Nonnen aufführten, machte einen solchen Eindruck auf sie, daß sie mit Thränen im Auge die Oberinn bat, ihr auch hierinn Unterricht geben zu lassen. Die Oberinn gab ihrer Bitte Gehör, und lehrte ihr selbst die Anfangsgründe der Musik, und des Gesanges. Als sie 14 Jahre alt gewesen, rafte der Tod auch ihren Oheim, der sie zu einer Nonne bestimmt hatte, dahin, und sie kam nun zu ihrer Mutter und ihren Schwestern nach Hause. Da man sie zu häuslichen Geschäften nicht wohl brauchen konnte, und sie den ganzen Tag über trillerte und sang, wurde sie mit ihrer schönen Stimme nur ausgezischt, ohne zu ahnden, daß diese allein ihr Glück gründen würde. Wenige Jahre darauf bewarb sich Mingotti, ein alter Venetianer und Entrepreneur der Dresdner Oper um ihre Hand, dem sie auch zusagte, weil sie des Spottes im Mutter-Hause überdrüssig war, auch sich sonst keine Aussicht einer bessern Versorgung zeigte. Niklas Porporan (1), einer der ersten Sänger seiner Zeit, und ebenfalls ein geborner Venetianer, dann Kapellmeister am Hofe zu Dresden, hörte ihre schöne Stimme, und war entzückt. Er rühmte diese bei Hofe, wo man beschloß ihr Anträge als Sängerinn für das Theater machen zu lassen, welche sie auch annahm. Ein jährlicher Gehalt von 400 Gulden wurde ihr sogleich ausgesprochen; Porpora aber erhielt jährlich ein hundert Gulden, um sie in der Singkunst auszubilden. Als sie zum ersten Male in der Oper sang, war allgemein der Beifall, daher die berühmte Faustine nebst ihrem Gatten Hasse (2) bald darauf das Theater zu Dresden verließen, und nach Italien sich begaben. Der Ruf ihres ausnehmend schönen Gesanges verbreitete sich nun nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien, wo sie eine Einladung nach Neapel erhielt. Da eben ihr Mann gestorben war, nahm sie diese Einladung an, und trat auf dem dortigen großen Opern-Theater als Aristea in der vom Galuppi in Musik gesetzten Oper: Olimpiade auf. Ihr Gesang, und ihre kühne, ganz der Natur getreue Aktion, überraschte die Italiener. Allgemein wurde ihr Gesang und Spiel bewundert, belobt, gerühmt; aber eben daher erhielt sie von verschiedenen großen Städten Italiens Briefe über Briefe, auch dort auf den Theatern aufzutreten. Sie nahm indessen keine dieser Einladungen an, weil sie den Ruf erhielt, nach Dresden, wo man ihren Gehalt beträchtlich erhöhete, alsbald zurückzugehen. Als sie in dieser Stadt angekommen war, trat sie ebenfalls in der Oper: Olimpiade mit ausserordentlichem Beifalle auf, und erhielt dann eine neue Rolle in der Oper: Demofoonte, zum studiren. Hasse, der indessen als Kapellmeister zu Dresden angestellt worden, komponirte 1748 diese Oper, und verfertigte für sie ein Adagio: Se tutti i mali miei etc. mit pizzicato der Violinen als Akkompagnement, um ihre Fehler hierdurch bemerkbar zu machen. Aber Mingotti merkte die Arglist des Kapellmeisters, und sang die Arie dergestalt rein und meisterhaft, daß nicht nur die Lästerzunge der Faustine verstummte, sondern auch der Beifall noch größer wurde. Im Jahre 1751 sang sie mit dem Gizziello unter der Direktion des großen Farinelli zu Madrid. Auch hier bezauberte ihr vortrefflicher Gesang und gutes Spiel, und sie erhielt vom Könige eine Diamantenschnur, vom großem Werthe, zum Geschenke. In London betrat sie ebenfalls das Opern-Theater mit ungetheiltem Beifalle, und kam dann nach Dresden zurücke, wo sie einen Kommerzienrath heirathete, und dort so lange verblieb, als August, König von Pohlen und Sachsen lebte. Nach Dessen Tode verließ sie Dresden, und begab sich 1763 nach München, wo sie als Hofsängerinn angestellt wurde, und sich, durch ihren schönen Gesang und gutes Spiel den Beifall und die Achtung des Hofes und des Volkes ebenfalls in vollem Maaße erwarb. Unter dem Churfürst Karl Theodor wurde sie, weil ihr Alter sie hinderte ferners zu singen, in die Pension gesetzt, und starb endlich zu Neuburg an der Donau 1807 bei ihrem Sohne, dem dortigen Königl. baier. Forstinspektor, Samuel von Buckingham. Diese große Sängerinn, die noch i. J. 1772 durch die Stärke ihres Ausdruckes im Gesange zu entzücken wußte, hatte gleich einem Kapellmeister Einsicht und Kenntnisse in der praktischen Musik. Sie sprach ausserordentlich geläufig deutsch, italienisch und französisch, verstand spanisch und englisch, und war lebhaft und unterhaltend in ihrem Umgange. In der Dresdner Bildergallerie ist ihr Portrait, von Rosalba in Pastell gemalt, zu sehen: Burney’s Reisen, B. II. S. 111, geben zwar von dieser großen Sängerinn viele Notitzen; allein nicht so genau, und wahr, wie ich hier zu liefern im Stande bin, da sie sich lange in München aufhielt, und erst die letzten Jahre ihres Lebens in Neuburg beschloß.
Anm. 1: Von dieses Künstlers Komposition wurden 1724 zu München zwei italienische Opern gegeben: Griselda und Damiro e Pitia.
Anm. 2: Hasse, (Joh. Adolph), wurde zu Bergedorf, unweit Hamburg, 1705 geboren, legte daselbst den Grund zur Musik, und studirte hierauf in Hamburg, wo der K. pohlnische Hofpoet Joh. Ulrich König sein musikalisches Genie wahrgenommen hatte Dieser empfahl ihn als Tenorsänger dem daselbst bestandenen Operntheater, dem der damalige größte Tonkünstler Keiser als erster Sänger und Kompositeur vorstand, und bei dem sich des Hasse Talente besser entwickelten. Im Jahre 1722 empfahl ihn König dem Herzoge von Braunschweig, der ihn als Hof- und Opern-Sänger aufnahm. Dort schrieb er 1723 die Oper Antigonus, die mit vielem Beifalle aufgenommen wurde. Im folgenden Jahre gieng er mit des Herzogs Erlaubniß nach Italien, und studirte zu Neapel beim Ritter Alexander Scarlatti, dem damals berühmtesten Kompositeur Italiens, die musikalische Komposition, und vorzüglich den Contrapunkt. Im Jahre 1727 bekam er für einen reichen Banquieur eine Serenate zu komponiren, die bei ihrer Aufführung sehr gefiel, und ihm Muth machte nach Venedig zu gehen, wo er die Oper Artaserse schrieb, die, zumal er mit der berühmten und schönen Sängerinn Faustina in eine Liebschaft sich einließ, großen Beifall erhielt. Diese vortreffliche Sängerinn heirathete er auch, und kam mit ihr nach Dresden, wo er als Kapellmeister, seine Gattinn aber als Hofsängerinn angestellt wurden, und beide 12000 Thaler jährlichen Gehalt erhielten. Im Jahre 1731 schrieb er daselbst die Oper: Cleofide, e Alessandro nelle Indie, die mit allgemeinem Beifalle aufgenommen wurde. Er machte mehrere Reisen nach Engeland, Berlin, Italien u. s. w. schrieb überall Opern, die sehr gefielen, und ihn als einen der ersten Künstler darstellten, und war allgemein geschätzt, beliebt und bewundert. An seinen Kompositionen tadelte man nichts, als daß seine Harmonie zu leer wären, ohne zu bedenken, daß er für ein großes Haus und ein stark besetztes Orchester geschrieben, und daß er durch diese Leere eine Deutlichkeit in seinem Satze bewirkte, die unendlich mehr Wirkung auf den Zuhörer that, als die vollgepfropfteste Harmonie. Er bildete sich nach Vinci, Leo, Porpora und Pergolese, und starb zu Venedig den 23. Dezember 1783.