Lipowsky 1811
Mozart, (Wolfg. Amadeus):
Mozart, (Wolfg. Amadeus), des Vorigen Sohn, wurde zu Salzburg den 27. Jäner 1756 geboren. Schon im vierten Jahre verrieth er ein ausgezeichnet großes Genie zur Musik, indem er in diesem zarten Alter mehrere, zum Theil große zum Theil auch kleine Sonaten, mit Ausdruck und Takt auf dem Klavier spielte, und im fünften Jahre seines Alters schon kleinere Piecen, ja bald darauf sogar ein Konzert für das Klavier komponirte. Der Vater lächelte, als er wahrnahm, daß sich der Knabe schon an ein Klavier-Konzert wage, sah es durch, und bemerkte ihm, daß diese Komposition zwar richtig seye, indessen zu vielen Schwierigkeiten in der Ausführung unterliege; allein ganz naiv antwortete der kleine Mozart: Ei, Vater, es ist auch ein Konzert!
Da er nun in der Musik sehr zugenommen hatte, und die schwersten Stücke von Bach, Hendel und andern berühmten Kompositeurs vom Blatte wegspielen konnte, unternahm der Vater mit ihm und seiner Schwester, (1) einer ebenfalls fertigen Klavierspielerinn, i. J. 1762 eine Reise nach Wien und München, und der sechsjährige junge Mozart erregte an diesen Höfen Erstaunen und Bewunderung. Hierdurch aufgemuntert gieng der Vater mit seinen Kindern im Monate April geraden Wegs nach London, wo der achtjährige Sohn sechs Klavier-Sonaten komponirte, der Königinn ehrfurchtsvollest widmete, und auch dort Ruhm und Ehre sich erwarb. Nun nahmen sie ihren Weg über die Niederlanden und Deutschland nach Salzburg zurücke, und kamen in dieser Stadt i. J. 1767 an. Aber im folgenden Jahre beschloß der Vater mit seiner kleinen Familie nach Paris zu gehen, ehevor aber noch Wien zu besuchen. In dieser Kaiser-Stadt dirigirte der junge Mozart, als Knabe von zwölf Jahren, zum ersten Mal eine feierliche Musik in Gegenwart des kais. Hofes, bei Gelegenheit der Einweihungs-Ceremonie der dortigen Waisenhaus-Kirche, und dann gieng er nach Paris. Allgemein war der Beifall, den sich dieser junge Tonkünstler in dieser Stadt erwarb. Sein Spiel auf dem Klavier, und seine Komposition, die dort im Stiche herausgegeben wurde, bezauberten, und der Knabe machte durch seine Kunst einen solchen Eindruck auf die Einwohner dieser Stadt, daß man sein Portrait in Kupfer stach, und jeder Künstler und Kunstkenner ein Exemplar sich beischafte. Nun schlug der Vater seinen Weg nach Italien ein, und kam mit seiner Familie 1769 in Rom an. Dort hörte der junge Mozart das berühmte Miserere, von dem, bei Strafe des Kirchenbanfluches, kein Künstler sich eine Kopie nehmen durfte, von der päbstlichen Hofmusik in der Sixtinischen Kapelle aufführen. Es gefiel ihm, und er hatte es durch aufmerksames Zuhören dergestalt aufgefaßt, daß er dasselbe zu Hause niederschrieb, und nach dem Gehöre in Noten setzte. Der Pabst war über das Talent, und die Kunst dieses erst 13 Jahre alten Knaben so entzückt, daß er ihn zum Ritter des goldenen Sporns ernannte. Von Rom gieng der Vater mit ihm nach Neapel, und dann nach Mailand, wo dem Sohne die Komposition der Oper auf das Beilager des Erzherzogs übertragen wurde. Als diese Oper aufgeführt wurde, fand derselben Musik solch großen Beifall, daß man ihm auch die Oper für den künftigen Carneval zu schreiben übertrug. Als Mozart in seine Vaterstadt zurückgekommen war, ernannte ihn der Erzbischof zum Konzertmeister, und zeichnete sein Talent nach Möglichkeit durch seine Achtung, die er ihm erwies, aus.
Im Jahre 1780 erhielt Mozart den Ruf nach München, um für den dortigen Hof die große italienische Oper: Idomeneo, zu schreiben. Mozart kam, und lieferte ein Meisterstück seiner Kunst. Bei der 1781 geschehenen Vorstellung dieser Oper, machte die Musik durch die Kraft ihrer Harmonie, durch ihren kühnen Schwung, durch die Neuheit und Größe der Gedanken, durch ihre, jeder Situation und Leidenschaft entsprechende Darstellung und Empfindung u. s. w. einen mächtigen Eindruck auf den Churfürsten und das Publikum, und allgemein war der Beifall, der dem Talente des großen Mozart huldigte, und seine Musik bis in die Sterne erhob (2).
Aber nun fixirte sich Mozart gänzlich in Wien, denn diese große Stadt, wo Künste und besonders die Musik so allgemein beliebt und willkommen sind, fand er allein geeignet, um mit Anstande dort leben und sich auszeichnen zu können. Nur seine Kompositionen für das Theater gründeten i. J. 1783 eine reine Einnahme von 1600 Gulden, und diese vermehrte sich mit jedem Jahre beträchtlich. Die Verdienste, die sich Mozart um die Kunst erwarb, sein großes Genie, das sich durch alle Schwierigkeiten in der Musik durchzuarbeiten verstand, und überall in seiner Größe mit Würde und ungetheilten Beifall dastand, bewogen Oesterreichs Kaiser, solch’ einen ausgezeichneten Künstler, vom ersten Range seiner Monarchie, zu erhalten, daher Er ihn bei der Vermählungs-Feier des Erzherzogs Franz im Monate Jäner 1788, mit einem Jahrgehalte von 6000 Gulden, zum Kapellmeister ernannte.
Was, und wie vieles Mozart für die Tonkunst gethan, ruht im Angedenken aller. Der große Haydn ehrte sein Talent und seine Verdienste, wie dieses aus einem Briefe dieses Künstlers erhellet, den er 1787 an einen seiner Freunde schrieb. Könnte ich -drückt sich unter andern Haydn aus -- jedem Musikfreunde, besonders aber den Großen, die unnachahmlichen Arbeiten Mozarts so tief und mit solch’ einem musikalischen Verstande, mit einer so großen Empfindung in die Seele prägen, als ich sie begreife und empfinde, so würden die Nationen wetteifern, ein solches Kleinod zu besitzen. -- Mich zürnt es, daß dieser einzige Mozart noch nicht beim K. K. Hofe engagirt ist.
Dieses Künstlers Werke lassen sich in eilf Klassen reihen, nämlich: dramatische Werke; Klavier-Parthien; Simphonien; Cantaten; einzelne Stücke und Arien; deutsche Lieder; Konzerte; Quartetten; Quintetten etc. Nacht-Serenaten; Tanz- und Kirchenmusik.
Der Raum dieses Werkes würde nicht zugeben die Menge der Musikstücke hier aufzuzählen, die er schrieb, und die im Drucke oder Kupferstiche bekannt wurden. Es genügt hier einige seiner Opern zu nennen. Diese sind: a) Die Entführung aus dem Serail. Wien 1782. b) Idomeneo. München 1781. c) Le nozze di Figaro (die Hochzeit des Figaro). Wien 1786. d) Der Schauspiel-Direktor. Wien 1786. e) Il Don Giovanni (Don Juan). Wien 1787. f) Die Mauerer-Freude. 1786. g) Die Zauberflötte (3). h) Cosi Fan tutte (die Wette). Sein letztes Stück ist die bekannte und allgemein bewunderte Seelen-Messe, die ein Unbekannter bei ihm gegen ein ansehnliches Honorar bestellt hat. Mozart verfertigte hievon nur das Requiem, und das Dies irae etc. als er den 5. Dezember 1791 unter der Arbeit dieses Kunstwerkes zu Wien starb. Sein Schüler Süßmaier vollendete diese Seelen-Messe, indem er das Sanctus und Agnus Dei schrieb. Zum ersten Male wurde diese herrliche Seelen-Messe zur Begräbnißfeier ihres Verfassers gesungen. Tief war der Eindruck, den diese Musik auf alle Anwesenden machte. Jedermann fühlte doppelt den Verlust dieses unvergeßlichen Künstlers. Erschüttert durch den Effekt, der jede Nerve angreifenden Musik, und trostlos über den Tod Mozarts, konnten nur Thränen den gepreßten Herzen Linderung gewähren, und der Gedanke den Kunstkenner trösten: In Mozart’s jungen Sohn erwacht des Vaters Geist.
Mozart hat sich durch sein frühes Studium der Harmonie so tief und eindringend mit ihr bekannt gemacht, daß es einem ungeübten Ohr schwer ist, ihm auf der Stelle zu folgen, und die Schönheiten seiner Musik sogleich zu entdecken. Man muß daher seine Musik öfters hören, mit Aufmerksamkeit ihr folgen, um das zu finden, was man soll, und was sich in derselben so herrlich ausspricht. Er lebte nur für die Kunst allein, und ließ andere für sein Hauswesen sorgen. Oekonomie war für seinen Geist, der in höhern Sphären schwebte, zu klein. Seine Lieblingsunterhaltung bestand in Billiard spielen.
Anm. 1: Sie heirathete in der Folge den von Sonnenburg, und ist jetzt Wittwe. Nachr. über das Erzstift Salzburg nach der Säkularisation. (Passau 1805.) B. I. S. 165.
Anm. 2: Der Italiener verlangt, der Gesang in der Oper solle deutlich und klar, nicht der künstliche Gesang der Kirche, und frei von jenen kühnen, gesuchten Modulationen seyn, die man in der Instrumental-Musik mit Vergnügen hört; er giebt nicht zu, daß das Orchester den Sänger bedecke, um nur Künste des Tonsetzers und der Instrumente hören zu lassen, geht aber hierbei in seinen Foderungen zu weit, und will alles gar zu plan und kahl. Daher machen die Opern, auf die Deutschland stolz ist, kein Glück in Italien. Mozart’s Zauberflöte, und Clemenza di Tito gefielen in Mailand nur wenig, Cosi fan tutte fiel in Neapel gänzlich durch, indessen andere, die man in Deutschland für lose, leichte Produkte erklärt, in Enthusiasmus setzen, z. B. mehrere Opern von Nicolini, Federici u. a. Selbst Winter und Weigl, deren Stil sich dem italienischen schon nähert, findet man oft zu schwülstig und gelehrt, und behauptet das zuweilen von Pär und Simon Mayr. F. Sickler und C. Reinhart Almanach aus Rom. (Jahrg. 1811.) S. 160.
Anm. 3: S. Pachelbel, (Johann), in der Note.