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Poißl (Poissl), Johann Nepomuk (Franz v. Paula Faustinus Sebastian Johann von Gott), * 15. Februar 1783 Haukenzell, † 17. August 1865 München, Komponist, Textdichter, Musikdokumentar, Freiherr, Intendant

1   Biographie und Würdigung

Poißl Johann Nepomuk, kgl. bayerischer Kammerherr, war der Sohn eines kurfürstlichen Kämmerers und erhielt eine gute Schulbildung an den Gymnasien Straubing und München. Ab 1800 war er Student in Landshut, 1805 siedelte er nach München über. Seine juristischen Studien sollten ihn auf den Staatsdienst vorbereiten. Nachdem Poißl jedoch die väterlichen Landgüter übernommen hatte, entschloss er sich, seinen Neigungen zu folgen und sich der Musik zu widmen. Poißl wurde Schüler und Freund von Franz Danzi und Abbé Georg Josef Vogler; belegt ist auch seine Freundschaft mit Carl Maria von Weber. Die Ehe mit der kgl. bayerischen Stiftsdame Walburg Gräfin von Hegnenberg, genannt, Dux, die als gute Sängerin und Pianistin galt, scheint auf Poißls musikalisches Streben von Einfluss gewesen zu sein. im Februar 1806 wurde daraufhin seine erste Oper, Die Opernprobe am Münchner Hoftheater erfolgreich uraufgeführt. Zahlreiche weitere Werke sollten folgen (siehe dazu das Werkverzeichnis in diesem Artikel). Für seine Kompositionen wurde Poißl der großherzoglich hessische Verdienstorden verliehen. Carl Maria von Weber lobte an Poißls Schaffen die sorgfältige Deklamation und die anmutig klare Sanglichkeit, verbunden mit reicher Harmoniefolge und differenzierter Instrumentation als Zeugnisse hohen künstlerischen Ranges.

Poißl bemühte sich lange Zeit um eine Anstellung bei der Kgl. Hofmusik in München, erreichte jedoch erst 1823 die Position eines Substituten bei von Rumling und 1824 die Position eines Hofmusik- und Hoftheater-Intendanten, welche er bis 1833 innehatte. Anschließend war er weiterhin Intendant der Hofmusik, streckenweise interimistisch bei von Faiss und dem Grafen Pocci. 1848 erfolgte die Versetzung in den Ruhestand. Er verarmte und wurde vergessen, verlor zudem den gesamten Familienbesitz, einschließlich der Braurechte in Loifling (Lkrs. Cham). Das Wasserschloss Loifling befindet sich heute im Gemeindebesitz.

Poißl gilt als wesentlicher Wegbereiter der Deutschen Oper zwischen Mozart und Carl Maria von Weber. Die Libretti zu seinen deutschen Opern sind von ihm als Bearbeitungen italienischer und französischer Vorlagen verfasst; nur zwei seiner insgesamt 14 Opern haben einen italienischen Text. Außer in München wurden Poißls Opern in Weimar, Darmstadt, Wien, Kassel, Braunschweig, Dresden und Stuttgart aufgeführt. Erst mit seinen letzten Werken ab 1825 schließt Poißl den Entwicklungsprozess der Deutschen Oper ab. Carl Maria von Weber nahm lebhaften Anteil am Schaffen Poißls und führte 1820 Der Wettkampf von Olympia in Dresden auf.

Auch zu Oratorien schrieb Poißl eigene Texte: Davon blieben lediglich Der Aerndtetag in Stimmauszügen erhalten. Dieses als Benefiz für die Armen der Stadt umfangreiche und zweiteilige Werk wurde von Hermann Arnold restauriert, neu bearbeitet und unter dem Titel Das Erntefest oftmals in Roding und in der Klosterkirche Reichenbach sowie in Zürich und in Berlin mit sehr großem Erfolg aufgeführt.

2   Werke

2.1   Opern

Die Opernprobe (1806)
Antigono (opera seria, 1808)
Ottaviano in Sicilia (Dramma eroico, 1811)
Aucassin und Nicolette (Singspiel, 1813)
Athalia (Gr. Oper, Wohlbrück nach Racine ,1814)
Der Wettkampf von Olympia (Poißl nach Metastasio, 1815)
Dir wie mir oder Alle betrügen (Opera buffa, 1816, nicht aufgeführt)
Nittetis (Gr. Oper, nach Metastasio, 1817 für Darmstadt)
Issipile (Gr. Oper, nach Metastasio, f. Darmstadt, nicht aufgeführt)
La rappesaglia (opera semiseria, nach Romani, 1820)
Die Prinzessin von Provence (Zauberoper, dt. Text von Poißl, 1825)
Der Untersberg (Romantische Oper, v. Schenk, 1829)
Zayde (Romantisch/tragische Oper, dt. Text von Poißl, 1843)

2.2   Einlagen in fremde Opern

Ouvertüre und 9 Nummern zu Merope (Nasolini, 1812)
Einlagen zu Antenore (Pilotti, 1815)
Marcia und Choro zu Ciro in Babylionia (Rossini, 1816)
6 Nummern zu Doktor und Apotheker (von Dittersdorf, 1823)

2.3   Schauspielmusiken

Ouvertüre
Chöre und Marsch zu Renata (Romantisches Schauspiel von F. Heyden, 1823)
Ouvertüre
Märsche und 3 Chöre zu Belisar (Trauerspiel von E. von Schenk, 1826)
Musik zu Kaiser Ludwigs Traum (Festspiel von E. von Schenk, 1826)
Doppelchor zu Die Hermannschlacht (Drama von Heinrich v. Kleist, 1826)

2.4   Oratorien und Kantaten

Ein Sommertag (wohl Pastorale Poißl, 1814)
Mehuls Gedächtsnisfeyer (Oratorium J. Sendtner, 1817)
Judith (wohl Oratoium Poißl, 1824)
Die Macht das Herrn (F. Bruckbräu, 1826, zur Einweihung der Münchener Synagoge)
Vergangenheit und Zukunft (Dramatisches Gedicht zur Thronbesteigung König Ottos von Griechenland, Poißl, 1832)
Der Aerndtetag (Oratorium Poißl, 1835)

2.5   Vokalwerke kleinerer Art (Auswahl)

Ein Baier (Chor J. Sendtner, 1824)
Zehn Canzonetten für 1-3 Singstimmen und Klavier
Sei Canzonetten (für Caroline Friederike Wilhelmine Königin v. Bayern)

2.6   Konzertstücke

sechs Arien
vier Recitative, teils mit Chor vier Duette
zwei Terzette
zwei Quartette

Die Werke sind größtenteils Kopien erhalten.

2.7   Kirchenmusik

Missae (C, 1812; As, 1816; Es, 1817)
Miserere (d, doppelchörig, 1824; d, sechsstimmig a capella, 1833)
Psalm 95 (A, Soli, Chor und Orchester, um 1812)
Salve regina (achtstimmig a capella)
Offertoria Omnes gentes (B, Sopr., Chor und Orchester)
Cantate domino canticum novum (Solo, Chor und Orch.)
Salve regina (achtstimmig a capella)
Stabat mater (doppelchörig a capella, 1821)

2.8   Instrumentalmusik

Konzert für Klarinette und Orchester (1812)
Konzert für Violoncello und Orchester (1816)
Zehn Harmonistücke für die königliche Tafelmusik (Melodien aus Opern damaligen Gebrauches für Bläseroktott, 1845)
Sechs Variationen für Cembalo
Violiner und Fagott (o.J.)

2.9   Schriften

Berichte aus dem Münchener Musikleben (Allgemeine Musikzeitung Wien, ab 1820)
Ideen über die zweckmäßige Leitung eines deutschen Hoftheaters (München 1834) und andere kleinere Arbeiten
Versuch einer Aesthetik der Musik (anonym erschienen, verschollen)

3   Ausgaben

Konzert für Violoncello und Orchester (Breitkopf & Härtel Leipzig 1818)
Prinzessin von Provence (Ouvertüre, Klav. 4-hdg., Siedler München)
Der Untersberg (Ouvertüre Klav. 2- u. 4-hdg., Falter München)
Athalia
Merope
Der Wettkampf zu Olympia
Ottaviano (Ouvertüren Falter München)
Almalied aus Das Donauweibchen (Klavier oder Gitarre Falter München 1834)
Das Erntefest/Der Aerndtetag (Oratorium 2 tlg. für 4 Soli, Chor und gr. Orchester, Roding 1980, H. Arnold)
daraus Chor Lob, Preis und Dank (Roding 1980, H. Arnold); Groß ist der Herr (Roding 1982, H. Arnold)
Tanzlied aus Darlekalien (aus Zehn Harmoniestücke f. Bläseroktett) (Roding 1983, H. Arnold)
Konzert f. Violoncello u. Orchester (1987, H. Arnold)
Ouvertüre zu Athalia (Roding 1987, H. Arnold)
Psalm 95 für Soli, Chor u. Orchester (Roding 1990, H. Arnold)

4   Literatur

ADB 27 (Artikel über Poißl von Schletterer).
Becker, Heinz (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Oper. Neunzehntes Jahrhundert, Regensburg 1969.
Brunner, Johann: Das Geschlacht der Poißl. In: Der Bayerwald. Heft Sep/Okt 1933.
Bücken, Ernst: Der heroische Stil in der Oper. Leipzig 1924.
Bücken, Ernst: Die Musik des 19. Jahrhunderts bis zur Moderne, 57, 72. In: Handbuch der Musikwissenschaft, Bd. 3, Laaber-Verlag 1979.
Dalhaus, Carl: Opéra comique und Deutsche Oper. Bd. 6, 52ff. In: Neues Handbuch der Musikwissenschaft. Wiesbaden et al. Laaber 1980.
Gemeinde Ratiszell.
Honegger-Massenkeil, 296.
Leipziger Theaterchronik, Nr. 64, 1834: Beleuchtung eines Artikels.
Meinhardt, Walter: Joh. Nep. v. Poißl . Zeitungsartikel vom 21. 8. 1972.
MGG Bd. 10; Bd. 3, 20, 329; Bd. 9, 92, 888; Bd. 16, 1507; Supl., 1529.
Musik in Bayern. Tutzing 1972, 54, 55, 56, 173, 174, 279.
Rebl, Alfons: Zulassungsarbeit zur Künstlerische Prüfung für das Lehramt an Gymnasien für die Fachrichtung Musik. München 1975.
Reipschläger, E.: Schuhbaur, Danzi und Poißl als Opernkomponisten. Berlin 1911.
Riemann 1961, 423.
Schillings Enzyklopädie V.
Schrott, Ludwig: Aus dem Ringen um die Deutsche Oper. In: Musik, 32, 1940, 299f.
Weber, Carl Maria von: Sämtliche Schriften. Leipzig 1908.
Wiener AMZ, 1820ff., Musikberichte aus München.
Winter, H. E.: Portraite der berühmtesten Compositeurs der Tonkunst. 22. Heft.
Zenger, M.: Geschichte der Münchner Oper. München 1923.