Der Vater von Matthäus Römer, Nikolaus Roemer, war Lehrer am Humanistischen Gymnasium in Bamberg, das Matthäus Römer später als Schüler selbst besuchte. Als Domchorsänger erhielt er bereits ein Gehalt. Römer studierte an der Universität München französische und englische Philologie und bestand alle Staatsprüfungen mit Gut. Er wurde Kgl. bay. Reallehrer, verzichtete aber wegen seiner musikalischen Neigungen auf eine Ausübung dieser Tätigkeit.
An der Akademie für Tonkunst in München studierte er Sologesang, Kontrapunkt, Komposition bei Viktor Gluth und Josef Rheinberger, der ihm empfahl, Chorwerke mit Begleitung zu schreiben. Zweimal erhielt er die Ehrenmünze in Bronze. Am 22. Dezember 1902 promovierte er in Rostock mit einer philologischen Arbeit Der Aberglaube bei den Dramatikern des 16.Jahrhunderts in Frankreich.
Von 1899 bis 1909 war Römer Prinzenerzieher am Hofe des Herzogs Luitpold, der mit dem regierenden bayerischen Königshaus der Wittelsbacher verwandt war. In diesem Zusammenhang erhielt er ein kleines Jägerhaus in Kreuth. Seine Gesangsstudien führte er privat fort bei Felix von Kraus, in dessen Vokalquartett er eine Zeitlang mitsang, und bei Jean de Reszke in Paris. Er erhielt ab etwa 1900 Gitarrenunterricht beim Münchner Kammervirtuosen Heinrich Albert. In dessen 1909 erschienener Sammlung 6 Moderne Lieder mit Guitarre ist das erste Lied Der Hofnarr (auf ein Gedicht von Albert Roderich) Roemer gewidmet.
Zweimal sang Römer in Bayreuth unter Siegfried Wagner und Karl Muck den Parsifal (1909). 1908 und 1909 trat er erfolgreich in Wien auf, 1910 gastierte er als Parsifal in Königsberg, 1911 beim Bachfest in Leipzig und in Frankfurt am Main. Seine Auftritte, die ihn meist als Oratorien- und Konzertsänger durch ganz Mitteleuropa führten, lassen sich bis 1922 nachweisen. Er vertonte zahlreiche Lieder, die im Umfeld der Gitarristischen Vereinigung München aufgeführt wurden. Teilweise veröffentlichte er sie im Selbstverlag. Im Zusammenhang mit einem Preisausschreiben, das die Gitarristische Gesellschaft 1910 veranstaltet hatte, erschien sein Lied Traum (Text von Otto Julius Bierbaum) in dem Sammelband Die sieben Lieder des Preisausschreibens (1912). Für die beiden Münchner Gitarrenensembles Münchener Gitarren Quartett und Münchner Gitarren Kammertrio schuf er zwei Quartette und ein Trio, die in der damaligen Presse große Beachtung und Anerkennung fanden. Sein kompositorisches Hauptwerk war die Vertonung der Heilige Nacht von Ludwig Thoma mit einer einzigartigen Besetzung: dreistimmiger Frauenchor, Solostimmen, Gitarrenchor, Orgel und Sprecher (1922). Die Erstaufführung fand wohl am 20. Januar 1924 im ausverkauften großen Odeonsaal statt. Weitere Aufführungen gab es nach dem Zweiten Weltkrieg 1950 in München (Musikalische Leitung: Rudolf Lamy), Innsbruck (Leitung Prof. Arthur Kanetscheider) und 1968 in München (Leitung Wolfgang Studnitzky). 1952 wurde Römer zum Ehrenmitglied der wiedergegründeten Gitarristischen Vereinigung ernannt.
Nach Beendigung seiner aktiven Gesangslaufbahn unterrichtete Römer am Konservatorium in München und im privaten Rahmen. Melanie Feuerlein-Scheibeck, Hans Hotter und Rudolf Lamy zählten zu seinen Schülern.
Römer heiratete Else Fritzsche aus Leipzig, die Fürstl. Lippische Kammersängerin war. Aus dieser Ehe ging ein einziger Sohn, Horand Römer (1908-1940), hervor, der nach seinem Studium bei Hans Pfitzner (wo auch seine Frau, die Pianistin und Komponistin Elisabeth Martin Meisterschülerin war) u. a. Dirigent am Stuttgarter Opernhaus war. Das Ehepaar Römer gab gelegentlich auch gemeinsame Gesangsabende.
Zweifellos war der Gesang die künstlerisch ausgeprägteste Tätigkeit Matthäus Römers; es lässt sich jedoch eine nicht zu unterschätzende Anzahl von instrumentalen Kompositionen finden, die in ihrer Zeit auch aufgeführt wurden und die bei der künstlerischen Etablierung der Münchner Gitarrenensembles als einzigartig galten. Römer komponierte vereinzelt für Instrumente wie Klavier solo, Gitarrenquartett und Gitarrentrio, den Haupteil seiner Werke machten jedoch verständlicherweise vokale Werke in verschiedenen vokalen und instrumentalen Kombinationen aus.
Seine Werke erschienen im Münchner Verlagshaus Alfred Schmid (Nachf. Unico Hensel) bzw. im Eigenverlag. Teilweise waren frühe Lieder bereits ab 1908 als Musikbeilage der in München erschienenen Zeitschrift Der Guitarrefreund veröffentlicht worden.
Opus | Titel | Besetzung | Erscheinungsjahr |
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6 | Haute Volée | Klavier | o.J. |
12 | Brennender Kalender | Hohe Stimme und Kontragitarre mit 5 Bässen | o.J. |
13 | Musik zu "Heilige Nacht" von Ludwig Thoma | 3st. Frauenchor, Soloquartett, Orgel und Gitarrenchor | 1924 |
14 | Eine Unterhaltungsmusik in 5 Sätzen | Terz,- 2 Prim,- und Quint-Bass-Gitarre | o.J. |
15 | Fünf Lyrische Gesänge | 4st. gemischter Chor | o.J. |
16 | Drei Goethe-Lieder | Sopran, Geige, Violoncello und Gitarre | o.J. |
20 | Trio | Terz-, Prim-, und Quintbassgitarre | o.J. |
21 | Zwei Luther-Chöre | 4st. gemischter Chor | o.J. |
Titel | Besetzung | Erscheinungsjahr |
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Zwei Klavierstücke | Klavier | o.J. |
Zwei Lieder | Singstimme und Pianoforte | 1900 |
Bayerischer Schnee Schuh Schützenmarsch | Gesang und Klavier | 1915 |
Sechs leichte Lieder | Mittlere Stimme mit Gitarrenbegleitung | o.J. |
Zehn Lieder | Gesang und Klavier | o.J. |
Ein zeitgemässes Ständchen | Gitarrenchor | o.J. |
Quartett in G | Terz,- 2 Prim,- und Quintbassgitarre | o.J. |
Sieht man von den Gelegenheitskompositionen ab, so lassen sich vorzugsweise Aussagen über Römers Liedkompositionen und Gitarrenkammermusiken sowie sein Hauptwerk, die Heiligen Nacht, nachweisen. Diese stammen direkt aus dem zeitlichen und örtlichen Umfeld der Münchner Gitarristik. Römer selbst interpretierte gelegentlich eigene Lieder in Münchner Konzerten. Die wichtigste Interpretin seiner Werke war seine Schülerin Mela Feuerlein-Scheibeck, die als sich selbst begleitende Lautensängerin auftrat. Da zu dieser Zeit der Lautengesang eine regelrechte Modeerscheinung war, stellte der Zyklus Der brennende Kalender op.12, der einen Text von Max Dauthendey für Gesang und Kontragitarre mit fünf zusätzlichen Saiten umsetzt, einen einzigartigen Höhepunkt dieser Gattung dar. Die Ansprüche, die dieser 35-minütige Zyklus an den Interpreten stellt, waren ohne Vorbild im Bereich der Gitarrenliteratur. In einem Konzertbericht anlässlich der Erstaufführung im kleinen Odeonsaal schrieb der Rezensent Dr. H. Rottmann: Mit seltenem Feingefühl schmiegt sich der Komponist all den Stimmungen und Schwingungen des Liederkreises an. Zum erstenmal wird in dem Werk der Sänger zur Gitarre vor die ernste Aufgabe gestellt, alle Gefühlsregister liebesfreudigen und innigen Gesangs zu ziehen.
Mit seinen Quartett und Triowerken für Gitarre wollte Römer ...den Gitarrekomponisten ein Ansporn zu neuen Taten sein und die Gitarristik überhaupt auf höhere Bahnen führen! Die zeitgenössische Kritik erkannte denn auch sowohl Ernsthaftigkeit als auch Modernität dieser Werke an. In seinem Hauptwerk, der Vertonung der Heiligen Nacht, kombiniert Römer völlig unübliche Klangkörper. Ein dreistimmiger Frauenchor, ein Gesangsquartett, eine Orgel und ein Gitarrenchor umrahmen die literarische Vorlage und illustrieren klanglich die Gesänge zwischen dem erzählten Text. Die klangliche Wirkung dieser Komposition wurde allgemein hervorgehoben.
Es ist natürlich schwierig, die Leistungen eines Sängers zu beschreiben, der keinerlei Aufnahmen hinterlassen hat. Es bleibt einzig die Möglichkeit, auf die Werturteile der zeitgenössischen Kritik zurückzugreifen. Diese bescheinigte Römer eine prächtige, strahlende, warme Tenorstimme, technische Sicherheit, große musikalische Intelligenz, eine souveräne Art der Atemführung und nennt ihn einen deutschen Gesangslyriker ersten Ranges.
Neben der bereits erwähnten Melanie Feuerlein-Scheibeck war Rudolf Lamy um 1925 Privatschüler Römers, wie aus entsprechenden Briefen ersichtlich ist. Der prominenteste Schüler war jedoch Hans Hotter, der 1996 seine Lebenserinnerungen Meinem verehrten Lehrer Matthäus Römer gewidmet hat und versuchte, aus den Äußerungen seines Lehrers eine kurze Biographie zu erstellen.
Römer nahm regen Anteil am gitarristischen Leben in München. So verfasste er einige wichtige Artikel für das Verbandsorgan der Gitarristischen Vereinigung Der Gitarrefreund. Neben größeren Artikeln wie Karl Maria von Webers Gitarrenwerke (Mai 1921) und Lieder von Armin Knab (Juli 1921) verfasste er auch eine Kritik von Hans Dagobert Brugers Schule des Lautenspiels (Januar/Februar 1925), eine Konzertkritik über den Gitarristen und Zitherspieler Fritz Mühlhölzl (November/Dezember 1925) und ebenso 1925 eine kritische Bestandsaufnahme der Situation der Gitarre: Allzu Gitarristisches (September/Oktober 1925). Zu seinen Kompositionen verfasste er Analysen, die den programmatischen Aufbau der Werke erklären. 1922 war er Jurymitglied eines Wettbewerbes für Kammermusik mit Gitarre, den die Gitarristische Vereinigung ausgeschrieben hatte.