Mendel 1/1878, Bd. 9
Speidel, Ludwig, ist am 11. April 1830 ebenfalls in Ulm geboren, wo er sich erst unter des Vaters und dann unter Leitung seines Bruders zum Musiker ausbildete. Er ergriff aber sehr jung, mit 15 Jahren schon die Feder und nachdem er in Ulm die Gymnasialstudien und später in München die philosophischen Studien beendet hatte, und dabei Clavierunterricht zu seinem Lebensunterhalt, aber sehr ungern, gab, veranlasste ihn Hofrath Förster für die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ zu schreiben. Seine erste grössere That als Kritiker waren die vortrefflichen Artikel über die Münchener Odeonconcerte, welche erst Riehl zugeschrieben wurden. Cotta schickte ihn als Correspondenten für die „Allgemeine Zeitung“ (1853) nach Wien, wo er sich aber sehr bald durch die „Presse“ fesseln liess. Als die „Neue freie Presse“ ins Leben trat, ging er zu dieser über und nach dem Tode Moritz Hartmann’s erhielt er die bedeutende Stellung desselben als Redakteur des Feuilleton, welche er noch inne hat. Er ist unbestritten, wie sich Nordmann in einem Toaste bei Gelegenheit einer Schriftstellerversammlung über ihn aussprach, die erste Feder Wiens. Dabei ist er einer der wenigen unbestechlichen Kritiker der Kaiserstadt.