Lipowsky 1811
Steffani, (Augustin):
Steffani, (Augustin), einer der ersten Sänger und Kompositeurs seiner Zeit, dann Abt, und endlich Bischof von Spiga, wurde zu Castelfranco, einer kleinen Stadt im Venetianischen Gebiete 1650 geboren. Seiner schönen Stimme wegen kam er öfters nach Venedig, wo ihn einst ein Graf aus Baiern singen hörte, ihn mit sich nach München nahm, und daselbst auf seine Kosten sowohl in den Wissenschaften, als auch in der Musik unterrichten ließ. Als er herangewachsen war, und auch in der Musik bedeutende Fortschritte gemacht hatte, kam er zum Kapellmeister Herkules Bernabei in die Lehre, der ihn in der Tonkunst ausbildete, und in der Komposition unterrichtete. Steffani ward bald ein guter Musikus, vortrefflicher Komponist, und in den Wissenschaften sehr bewandert. Nachdem er etliche zwanzig Jahre alt geworden, widmete er sich dem geistlichen Stande, ließ sich zum Priester weihen, und ward bald darauf zum Abt ernannt. Am Hofe des Churfürstens von Baiern, an dem er gebildet worden, wurde er als Direktor der Kammer-Musik angestellt, auch wiederfuhr ihm die Ehre, daß er den Auftrag erhielt für die Vermählungsfeier des Churfürstens Maximilian Emanuel i. J. 1685 die Musik zur großen italienischen Oper: Servio Tullio zu schreiben. Die Vermählungsfeierlichkeiten dieses Churfürstens mit der Erzherzoginn Maria Antonia von Oesterreich wurden überhaupt mit Königl. Pracht gegeben. Dieses erhellet zum Theil aus den prächtigen Dekorationen, die bei dieser Oper aufgestellt gewesen, und aus dem Textbuche der Oper selbst. Dasselbe wurde für die Zuseher in Quart-Formate gedruckt, unter folgender Aufschrift: Servio Tullio Drama per Musica Da rappresentarsi Alle augustissime Nozze di Sue Altezze Elettorali il Serenissimo MASSIMILIANO EMANUELE Duca dell’ una, el’ altra Baviera etc. Principe Elettore etc. e la Serenissima Eletrice MARIA ANTONIA Archiducessa d’Austria etc. etc. l’anno 1685 Posto in Musica da S. D. Agostino Steffani, Direttore della Musica di Camera di S. A. E. In Monaco per Giovanni Jeckling, Stampatore Elettorale.
Dieses Textbuch ist mit dreizehen Kupferstichen im Queerfolio-Formate geziert, welche die in der Oper selbst vorgekommenen Theater-Dekorationen vorstellen (1).
Aber eben durch diese Musik verbreitete sich sein Ruhm auch bei auswärtigen Höfen, die nun um den Besitz dieses großen Gelehrten und Künstlers zu buhlen begannen. Unter diesen zeichnete sich vorzüglich Herzog Ernst August von Braunschweig, Vater des nachmaligen Königs von Großbrittanien Georg I. aus. Dieser, der äußerst für die Musik eingenommen war, trug ihm die Kapellmeister-Stelle an seinem Hofe in Hanover an, und Steffani entschloß sich dieselbe 1690 zu übernehmen; doch bald war er ihrer müde, weil ihm die Sänger und Sängerinnen keine Folge leisteten, bald in Opern nicht singen, bald nicht spielen, bald in dieser, bald in jener Rolle auftreten wollten, u. s. w. und legte daher diese Stelle nieder. Prinz Georg entschloß sich nun die Leitung der Oper zu besorgen, und Sänger und Sängerinnen zur Genügung ihrer Pflicht anzustrengen; allein bald war auch er dieses Geschäftes überdrüßig, gab dasselbe auf, und erklärte laut: Er wolle leichter eine Armee von 50,000 Mann, als eine Gesellschaft Operisten kommandiren.
Steffani komponirte am Hofe des Herzogs von Braunschweig der Erbprinzessinn Sophia Dorothea, welche die Musik sehr liebte, zwei Duette: Inquieto mio cor, und Che volete, die er ihr auch zueignete. Da er dem Herzoge Ernst August bei Gelegenheit der ihm zu verleihenden Churwürde und des Erzamtes 1692 und 1710 viele und wichtige Dienste leistete, und sich hierbei als einen guten Geschäftsmann und Publizisten bewies; so sprach ihm derselbe einen Jahrsgehalt von 1500 Gulden aus. Pabst Innnocenz XI. aber ernannte ihn zum Bischof, und gab ihm das Bisthum Spiga im spanischen Westindien aus der Ursache zur Belohnung, weil er bei diesem Ernst August bewirkt hatte, daß die Katholiken im Churfürstenthume Hanover öffentlich ihren Gottesdienst üben dürfen, und gänzliche Gewissensfreiheit haben sollen.
Als nun Steffani Staatsgeschäfte am Hofe zu Hanover besorgte, und selbst zur Würde eines Bischofes erhoben war, setzte er seinen Kompositionen den Namen seines Kopisten: Gregorio Piva bei, und legte 1708 seine musikalischen Aemter nieder; allein demungeachtet ernannte ihn 1724 die Akademie der Musik in London zu ihren Vorstand, welche Ehren-Charge er auch mit vielem Danke angenommen hat. Im Jahre 1729 beschloß er sein Vaterland zu besuchen, gieng nach Italien, und blieb den ganzen Winter über daselbst, wo er dann bei dem Kardinal Ottoboni Opern, Oratorien, u. dgl. von seiner Komposition aufführen ließ, auch, ungeachtet seines 79jährigen Alters, öfters noch selbst sang. Im folgenden Jahre 1730 kehrte er nach Hanover zurücke, wo er bald darauf im 80sten Jahre seines Alters starb.
Steffani war in der Direktion seiner Musiken sehr akkurat. Er duldete bei einfachen und natürlichen Stellen im Gesange keine Verzierungen und Manieren, sondern bestand auf einem gefühlvollen Vortrag nach den aufgezeichneten Noten. In seinem Umgange war er freundlich, gesprächig und munter, er studirte vieles, arbeitete fleißig, und war überhaupt ein Mann, der mit einem guten Kopfe auch ein gutes Herz vereinte. Von seinen theoretischen und praktischen Werken werden hier angeführt: a) Quanta certezza habbia da suoi Principii la Musica. (Amsterdam 1695.) Diese Schrift hat Werkmeister in das Deutsche übersetzt, und mit Anmerkungen zu Quedlinburg und Aschersleben 1700 herausgegeben. Eine zweite Auflage der deutschen Uebersetzung besorgte Johann Lorenz Albrecht zu Mühlhausen 1769. b) Sonate da Camara à 2 Violini, Alto e Contin. c) Sacer Janus Quadrifrons tribus vocibus vel duabus qualibet praetermissa modulandus. (Monachii 1685.) Von seinen geschriebenen Opern sind, ausser der in München 1685 aufgeführten Servio Tullio, noch durch die in Hamburg herausgekommene deutsche Uebersetzung der Texte bekannt geworden: Der hochmüthige Alexander; 1695. 2) Roland; 1696. 3) Heinrich der Löwe. 4) Alcides. 5) Alcibiades; 1697. 6) Atlanta; 1098; und 7) Il Trionfo del Fato; 1699. Forkel’s musikalischer Almanach. Der Zufriedene, ein Wochenblatt. (Nürnb. 1763.) Ferners wurden in München folgende Opern mit Musik von seiner Komposition noch gegeben: Marco Aurelio (1681.) Solone (1685.) und Alarico in Baltha. (1687.) Christ. Freihr. v. Aretin. Mspt.
Anm. 1: Ueber die ehemals in München herausgegebene Opern-Text-Bücher, mit schönen Kupfern geziert, ist nachzusehen in meinemb Künstler-Lexikon. (München 1810.) B. II. S. 66. Santurini.